Kampf des Wassers gegen das Wasser

Neue Trinkwasser-Richtlinie der EU muss nationales Recht werden. Aber beim Tafelwasser soll nicht draufstehen, wo es herkommt, weil die Sprudelproduzenten Verwechslungen befürchten

BERLIN taz ■ Seit dem BSE-Skandal ist die EU bei den Verbrauchern unten durch. Um ihr Image aufzupolieren, hat sie den Verbraucherschutz bei der neuen Trinkwasser-Richtlinie groß geschrieben. Erstmals werden die Wasserwerke verpflichtet, ihre Kunden darüber zu informieren, wo das Wasser herkommt und welche Bestandteile es enthält.

Bis Ende 2000 muss die neue Trinkwasser-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Das Bundesgesundheitsministerium hat seinen Entwurf dazu nun fertig. Das unveröffentlichte Papier enthält eine Überraschung: Die erweiterte Informationspflicht gilt zwar für Wasser, das aus der Leitung kommt, aber nicht für Wasser, das in Flaschen abgefüllt als „Tafelwasser“ auf den Markt kommt. Hintergrund ist ein Schutzparagraph in der deutschen Mineral- und Tafelwasserverordnung, der es Tafelwasser verbietet, mit Angaben über geografische Herkunft und Bestandteile wie etwa Natrium, Calcium und Magnesium auf dem Etikett in den Handel zu kommen. Dieses Privileg ist ausschließlich den Herstellern von Mineralwasser vorbehalten.

Der Verband der Deutschen Mineralbrunnen wacht eifersüchtig darüber, das dies auch so bleibt. Seit über einem Jahr klagt er gegen die Neckarwerke Stuttgart, die ihr Trinkwasser mit Kohlensäure versetzt in Flaschen abfüllen und unter der Bezeichnung „Bodensee-Tafelwasser“ in den Handel bringen. Die Mineralbrunnen wollen diese Bezeichnung gerichtlich verbieten lassen, weil sie auf die geografische Herkunft hinweist. Gabriele Tacke, Sprecherin der Neckarwerke, wundert sich: „Die ersten Fragen, die ein Kunde stellt: Woher kommt das Wasser, und was enthält es, dürfen wir auf dem Etikett nicht beantworten“. Das Unternehmen sieht in dem Verbot der Herkunftsbezeichnung einen Widerspruch zu der EU-Trinkwasser-Richtlinie. Wolfgang Stubbe, Geschäftsführer des Verbandes der Mineralbrunnen, hat mit der eingeschränkten Informationspflicht kein Problem: „Ich weiß nicht, ob der Kunde diese Information braucht. Wenn er will, kann er sich bei seinem Wasserwerk erkundigen“, sagt er.

Im Hintergrund dieses skurrilen Rechtsstreits tobt ein mörderischer Wettbewerb bei den Getränkeherstellern. Tiefpreise sollen Kunden in die Läden locken. Günther Guder vom Verband des Getränkefachgroßhandels sieht dabei das Tafelwasser, das erst vor wenigen Jahren auf den Markt kam, in einem Wettbewerbsvorteil: „Viele Kunden glauben, dass es sich bei Tafelwasser um das höherwertige Produkt handelt, weil das Wort ,tafeln‘ darin steckt.“ Dabei ist Tafelwasser nichts anderes als aufbereitetes Trinkwasser mit eventuell veränderter Zusammensetzung. Mineralwasser muss einen bestimmten Anteil an Mineralien enthalten und frei von Zusätzen sein.

Der zuständige Experte im Bundesgesundheitsministerium, Karl Evers, begründet die Ausnahme bei der Etikettierungmit dem Schutz der Verbraucher vor Irreführung. „Die Verbraucher könnte durch die Herkunftsangabe beim Tafelwasser getäuscht werden, weil sie glauben, es handle sich um Mineralwasser“, erklärt Evers die eingeschränkte Information. Doch es ist fraglich, ob die neue Trinkwasserverordnung damit durchkommt. Die Richter des Oberlandesgerichts Karlsruhe haben die Klage der Mineralbrunnen gegen die Neckarwerke Stuttgart abgewiesen. In ihrer Urteilsbegründung heißt es: „Ein durchschnittlich informierter Verbraucher kann aus der Bezeichnung ,Bodensee-Tafelwasser‘ schließen, dass es sich nicht um ein Mineralwasser handelt.“ VOLKER SIEFERT