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Jazz-Freaks auf Kollisionskurs

■ Der Musikologe John Santos aus San Francisco und der Pianist Omar Sosa aus Barcelona nehmen Salsa mit Jazz auseinander

Als John Santos vor gut einem Jahr sein letztes Gastspiel gab, wollten ihn gerade mal sieben Leute sehen. Denn der Perkussionist aus San Francisco war nicht als Musiker, sondern als Musikologe unterwegs, und hielt im Hinterzimmer einer sozialen Begegnungsstätte einen Vortrag über die „Roots of Salsa“. Mit einem Dutzend Tapes, zwei Congas und diversen Klöppeln bewaffnet, machte er dem staunenden Häuflein das Prinzip der „Clave“ in der afrokaribischen Musik sinnfällig und sprach über Dinge, von denen Apologeten der Weltmusik gerne schweigen: Über die Ausbeutung der Musik in der goldenen Ära der Salsa, über den Aufstieg der dominikanischen Merengue als Folge von Sparmaßnahmen der Clubbesitzer und über den Verlust musikalischer Identität durch die Kommerzialisierung der Salsa.

Interessanter Mann also, und es ist kein Wunder, dass er sich San Francisco als Wirkungsstätte erwählt hat. Denn abseits der großen Salsa-Schmieden in New York und Miami scheint in der Bay Area so etwas wie ein Latin-Underground zu entstehen, der an afroamerikanische Musik-Kollektive der Siebziger wie The Tribe oder Black Jazz erinnert. Mit alten Heroen wie dem Timbalero Orestes Vilató oder dem Conguero Patato Valdes werkeln Santos und andere an Latin-Hybriden aus afrokubanischer Tradition, afrikanischen Bezügen und diversen Anleihen aus Space- und Mood-Jazz.

„Free Roots“ eben, und genau so hat der kubanische Pianist Omar Sosa, der 1995 nach Frisco machte, sein zweites Album genannt. Jene Salon-Tradition, die einem Ruben Gonzales Dauer-Airplay in hiesigen Cafés beschert, spielt Sosa ohnehin aus dem Handgelenk. Meist aber zerpflückt er sie oder rückt ihr mit Monkschen Phrasen zu Leibe. Ein Eddie Palmieri der Post-Free Jazz Ära, der auch mal in den Flügel hineinhüpft, wenn es der Ausdrucksfindung dient, der freien.

Auf dem Album Nfumbe (1997) beackern John Santos und Omar Sosa denn auch nach Kräften alles, was ihre Ins-trumente an Schlagflächen hergeben, immer vor dem Hintergrund ihrer musikologischen skills von Westafrika über Kuba bis Haight-Ashbury. Zwei Freak-Jazzer auf Kollisionskurs: Da Sosa kürzlich die Bay Area in Richtung Barcelona verlassen hat, ist das Gastspiel in der Fabrik eine seltene Gelegenheit, sich dieses Spektakel um die Ohren schlagen zu lassen. Christoph Twickel

Do, 30. März, 21 Uhr, Fabrik

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