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Geschickt eingefädelt

Weg mit der Wegwerfkultur: Umweltsenator und Handwerkskammer stellen im Nähmaschinengeschäft Reparaturleitfaden vor  ■ Von Peter Ahrens

Wer in den Laden von Horst und Olaf Chrzanowski kommt, sieht zwischen den Regalen ein Schild. Darauf steht: „Es gibt fast nichts auf dieser Welt, das sich nicht ein wenig schlechter herstellen ließe, um es etwas billiger zu verkaufen.“ Freiherr vom Stein soll das gesagt haben, ist noch zu lesen. Passend dazu stellt sich Firmensenior Horst Chrzanowski, 73 Jahre alt und seit 1941 im Betrieb, ein bisschen nach vorn auf die Zehenspitzen, wenn er gegenüber den Journalisten das Wort „Qualität“ ausspricht. Als wolle er dem Wort noch einen ganz besonderen Nachdruck verleihen.

Handarbeit, Selbermachen, eigene Werkstatt: Diese Begriffe surren fast so im Raum wie die Nähmaschinen, die bei Chrzanowskis verkauft werden. Nicht nur verkauft, sondern auch repariert – und das erklärt den Medienauftrieb im Laden. GAL-Umweltsenator Alexander Porschke hat sich das Geschäft hinterm Hauptbahnhof ausgesucht, um den neuen Repara-turleitfaden von Umweltbehörde und Handwerkskammer vorzustellen.

Eine bessere Werbung kann der Inhaber nicht mehr bekommen. Kamerateams prügeln sich auf 30 Quadratmeter Verkaufsraum um die besten Bilder, alle wollen den Senator beim mehr oder minder gekonnten Umgang mit der Nähmaschine filmen. Porschke müht sich nach Kräften: Einfädeln ist schließlich eine handwerkliche Paradedisziplin der Politik, neben dem Spinnen von Intrigen, dem Drehen von Stricken und dem Knüpfen von nützlichen Beziehungen.

Vom Leitfaden zur Nähmaschine und zurück ist es kein weiter Weg: Porschke steht zwischen Pfaff, Dürkopp und Husquarna und spricht über den Umweltgipfel von Rio, von der „industriellen Wegwerfgesellschaft“ und im Gegensatz dazu von Dingen, „die Patina haben, die eine Geschichte haben, bei denen es sich lohnt, sie zu reparieren“. Solche Dinge werden zu Chrzanowski und seinen 800 HandwerkskollegInnen gebracht, die im grünen Reparaturleitfaden aufgeführt sind.

Die rund 800 Betriebe stehen künftig in den Gelben Seiten und sollen helfen, „Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen“, wie Handwerkspräsident Peter Becker das formuliert. Denn wo repariert wird, wird auch mehr Geld verlangt – was aus Porschkes Sicht aber gut angelegt ist: „Die billigeren Produkte sind auf Dauer oft die teureren Geräte.“

Oder, um es mit dem Freiherrn vom Stein auf dem Schild im Laden zu sagen: „Aber die, die ausschließlich auf den Preis sehen, sind die zu Recht Bestraften.“ Oder es sind die, die sich anderes nicht leisten können.

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