: Der Bund macht den Impresario
Diepgen vollzieht Kehrtwende: Naumann soll jetzt doch Berliner Theater in eigener Regie übernehmen
Ein Staatstheater der Bundesrepublik Deutschland – was im deutschen Föderalismus bislang undenkbar erschien, wird angesichts der Berliner Kulturmisere immer wahrscheinlicher. Es müssten „zwischen Bund und Land die Institutionen ausgehandelt werden, die der Bund in Zukunft ganz oder wenigstens hälftig übernehmen möchte“, sagte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) gestern vor dem Abgeordnetenhaus. Dabei gehe es „vor allem um die Bühnen der Stadt“.
Damit besteht auf Landesebene jetzt ein überparteilicher Konsens für eine solche Lösung, die von der bündnisgrünen Opposition schon lange gefordert wird. Auch die ehemalige Kultursenatorin Christa Thoben hat sich nach ihrem Rücktritt in einem Zeitungsinterview dafür ausgesprochen.
Bislang hatte der Senat stets darauf beharrt, im Rahmen seiner Kulturautonomie über die Bundeszuschüsse für die Hauptstadtkultur frei verfügen zu können. Der anhaltende Streit über das Mitspracherecht des Bundes bei der Verwendung dieser Gelder hat den Regierenden Bürgermeister offenbar davon überzeugt, dass eine klare Kompetenzverteilung die weniger konfliktträchtige Lösung darstellt. Obendrein würde das Risiko neuer Haushaltslöcher bei den betroffenen Einrichtungen ebenfalls vom Land auf den Bund übergehen.
Der Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, hat bereits in der Vergangenheit signalisiert, dass er sich eine solche Lösung vorstellen könnte. Über die Frage, welche Kultureinrichtungen dafür in Frage kommen, gehen die Meinungen allerdings auseinander. Während der Bund gern die prestigeträchtige und wirtschaftlich gesunde Philharmonie übernähme, will das Land sein Renommierorchester auf jeden Fall behalten. Viel lieber würden sich die Berliner der teuren Staatsoper entledigen, deren Chef Daniel Barenboim seine finanziellen Ansprüche immer weiter nach oben schraubt. Als weitere Kandidaten für eine möglich Übernahme gelten das Jüdische Museum, das Haus der Kulturen der Welt, das Deutsche Theater und das Konzerthaus am Gendarmenmarkt.
Mit der Staatsoper allein wäre der Bundeszuschuss von 100 Millionen Mark aber schon fast aufgebraucht. Der Bund müsste seinen Obolus also aufstocken. In Berlin wird gern darauf verwiesen, dass die frühere „Bundesstadt“ Bonn immerhin 130 Millionen Mark erhalten habe, um den nötigen kulturellen Rahmen fürs Regieren herzustellen. Staatsminister Naumann betont zwar gern, dass der Bund – die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mitgerechnet – in Berlin alles in allem 667 Millionen Mark für kulturelle Zwecke ausgibt. Die Summe von 100 Millionen gilt gleichwohl langfristig nicht als letztes Wort, zumal dem Bund als Lohn für ein größeres Engagement auch mehr Einfluss winkt.
RALPH BOLLMANN
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