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Danke Senat, Danke CDU

■ Bremen kann aufatmen: Weder das Deutsche Turnfest noch der Deutsche Evangelische Kirchentag kommen in die Hansestadt / Was ist mit der Fußball-WM?

Fast unbemerkt ging in dieser Woche eine Sternstunde der großen Koalition vorüber: In der Kritik an den vom Senat beschlossenen Ausgaben ging völlig unter, dass damit ja auch Schlimmeres verhindert wird. Nachdem der Senat eine dreiviertel Milliarde Mark verplant hat, war für eine Subventionierung des Deutschen Turnfests im Jahr 2006 einfach kein Geld mehr da.

Dafür gebührt der Exekutive aufrichtiger Dank. Das heißt, eigentlich genauer der CDU, kostet doch die von ihr durchgeboxte öffentliche Beteiligung an der Sanierung der privaten Rennbahn ziemlich genau die für das Turnfest benötigten 22 Millionen Mark. Wie viel leichter ist es zu ertragen, wenn 18 Gäule im Kreis galoppieren, als 100.000 Jahn-Jünger kreuz und quer durch die Stadt! Wer diesen Überfall aus Fallschirmseide 1994 in Hamburg erlebt hat, wird bestätigen können, dass er auch für eine Stadt von der dreifachen Größe Bremens eine schwere Bürde ist. An allen Ecken sah man damals Gruppen, die wegen des Wiedererkennungseffekts den Trainingsanzug ganztägig nicht ablegten. Wann immer sie sich verbrüderten – mit Vorliebe auf Kreuzungen oder Fahrradwegen –, kam es zu einer Kombination der absonderlichsten Dialekte und geschmacklosesten Vereinsfarben. Etwa: Violett-türkis-gelb-rot. Eine Beleidigung fürs Auge! Nach einem solchen Schock gingen viele Hamburger tagelang nicht aus dem Haus. Vielleicht erinnerten sie sich an 1898, als Turnen noch Teil der vormilitärischen Erziehung war. Das Turnfest auf dem Hamburger Heiligengeistfeld diente damals als Verabschiedung tausender Rekruten in den Wehrdienst. 1994 jedenfalls fanden die verstörten Einheimischen auch nach Abreise der Turner erst allmählich zu ihrer alltäglichen Routine zurück.

Ein solches Trauma bleibt den BremerInnen nun erspart, weil im Senat kühle Rechner sitzen. Denen war nicht entgangen, dass Turner Habenichtse sind – sonst würden sie ja Golf spielen oder zum Pferderennen gehen. Anders als die erwarteten 240.000 Buchungen von Expo-Gästen würden 600.000 Übernachtungen durch das Turnfest nicht die Umsätze der heimischen Hotellerie sondern die Betriebskosten der städtischen Turnhallen in die Höhe treiben. Nicht Hotelfachleute, sondern freiwillige Feldbettenaufsteller würden sie zu Hunderten beschäftigen. Sollen doch die Berliner sich damit rumärgern, die sich um die Ausrichtung beworben haben. Immerhin käme dort nicht auf jeden fünften Einwohner ein Trainingsanzug sondern nur auf jeden vierunddreißigsten. Danke also an den weitsichtigen Senat, der uns diese Provinz-Schnorrer vom Leibe hält.

Nur konsequent, dass Bürgermeister Henning Scherf auch von einem evangelischen Kirchentag 2007 in der Hansestadt Abstand nehmen musste. Ein Hoch auf die Koalitionsräson! Auch die Christen schließen ihre nächstenliebenden Quartiersgeber schließlich lieber lieber in ihr Nachtgebet ein, als mit barer Münze zu zahlen. Für das Stadtbild sind sie ebenfalls keine Bereicherung: Lila Halstücher rangieren auf der nach unten offenen Beliebtheitsskala nur knapp über Jogginghosen. Wenn junge Gläubige dann noch in der Fußgängerzone ihre Wandergitarre zücken und zu Singen anheben, sehen selbst die Berber zu, dass sie Land gewinnen – aus Angst, dazugezählt zu werden.

Wieviel angenehmer dagegen die Gäste, die Bremen 2006 beehren könnten: Zur Fußball-Weltmeisterschaft – noch hat der Senat keinen Bremer Rückzieher angekündigt – werden Sportsfreunde erwartet, die auch ohne Klampfengeschrummel singen können. Zumindest in der neuen Neuen Vahr dürften sie für ausgebuchte Betten gut sein – kostenpflichtig, versteht sich. Außerdem dürften die Freunde des runden Leders die Kasse der örtlichen Brauerei klingeln lassen.

Nicht dass Bremen seinen Anteil an den Knalltüten der Republik nicht tragen wollte. Aber Musikschau der Nationen, Grand-Prix-Vorentscheidung und ProChrist sind genug. Gut, dass die Toleranz der Bremer nicht überstrapaziert wird. Danke, Senat! not

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