: Kröning: Kontrolliert die Schattenhaushalte!
■ Rede des SPD-Bundestagsabgeordneten Volker Kröning beim Jubiläum des Bremischen Rechnungshofes: Er ging mit der bremischen Finanzpolitik ins Gericht
Der Bremer Bundestagsabgeordnete Volker Kröning, für die SPD-Fraktion im Bundestag auch Koordinator für die Verhandlungen um den Länderfinanzausgleich, hat zum 50jährigen Jubiläum des Bremer Rechnungshofes eine grundsätzliche Rede über die Kontrolle der staatlichen Finanzpolitik gehalten. Die Unabhängigkeit des Rechnungshofs war von seiner Gründung an umstritten, und die Kontrollfunktionen, die Kröning ihm in seiner Ansprache zugeschrieben hat, würden den Rechnungshof noch unbeliebter in Kreisen der Politik machen.
„Staat, Wirtschaft und Gesellschaft erleben zur Zeit eine beispiellose Diskussion über Geld und Macht“, erklärte Kröning, in Vereinen, in Wohltätigkeitsorganisationen wie in der Politik seien die mangelhaften Kontrollmechanismen in der Diskussion. Dabei gehe es aber nicht um „Geld und Macht“, sondern um „Geld und Verantwortung“, erklärte Kröning.
Was das bedeuten kann? Kröning wurde konkret: „Rücksicht auf die nachfolgenden Generationen ist bisher nicht oder kaum justitiabel. Diese Kontrollschwäche auszugleichen ist zwar nicht allein, aber sicherlich auch Aufgabe der Rechnungskontrolle.“ Kontrollieren soll der Rechnungshof nicht nur die direkten staatlichen Geldausgaben, sondern auch, und das ist in Bremen durchaus umstritten, „die Formen, in denen der Staat durch Dritte handelt“.
Durch „Ausgliederung“ und „Verselbständigung“ von Behörden und Betrieben bis zur „unechten“ und „echten“ Privatisierung, und der Finanzierung von Projekten außerhalb des Haushaltes hat der Staat sich ein weitreichendes Instrumentarium geschaffen, das Effizienzgewinne von 10 bis 15 Prozent verspricht. In Bremen umfasst der traditionelle öffentliche Dienst inzwischen weniger als zwei Drittel des Personals von Land und Stadt. Die Finanzierungen „außerhalb des Haushaltes“ in Bremen machten 1995 rund 2,3 Milliarden Mark aus, zuzüglich Finanzierungskosten sogar 2,8 Milliarden Mark. Heute dürfte die Summe mehr als doppelt so hoch sein, alles Schulden, die nicht gerechnet werden, wenn man die offiziellen Bremer Staatsschulden mit 17 Milliarden Mark angibt. Die „außerbudgetäre Finanzierungen“ würden es erleichtern, „Einsparungen auszuweichen und Verantwortung in die Zukunft zu verlagern“, kritisierte Kröning und forderte „angesichts der Risiken außerbudgetärer Finanzierungen“, dass künftige Belastungen mittel- und langfristiger Art durch die Kreditaufnahmen außerhalb des Haushaltsplans „im Haushaltsplan öffentlich gemacht werden“. Kröning: „Es gibt eine Art von Primitivökonomie, die Schuldenmachen als normal ansieht und sich deshalb längst daran gewöhnt hat, über die Folgen anormalen Schuldenmachens – nicht zuletzt die sozialen Folgen – hinwegzusehen.“ Damit müsse Schluss sein. Auf europäischer Ebene hat sich auch Deutschland zu eine Begrenzung der schulden verpflichtet. „Allerdings steht die rechtlich verbindliche innerstaatliche Umsetzung noch aus.“ Kröning verlangte eine „Trendumkehr der Staatsverschuldung“, die den „politischen Willen“ erfordere, „den Staat zurückzunehmen und den Bürger wieder zu befähigen, allein oder in solidarischer Gemeinschaft mit anderen für sich zu sorgen.“
Haushaltspolitisch gesprochen: „Nur was nach Abzug dieser Kapitaldienst-Leistungen pro Jahr übrig bleibt, ist politisch verfügbar. Und dieses Kriterium will Kröning in das von den Ländern wenig geliebte „Maßstäbe-Gesetz“ hineinschreiben, das das Bundesverfassungsgericht als Vorstufe zur Finanzreform gefordert hat. Dieses Gesetz „sollte als Chance genutzt werden, die öffentliche Entschuldung verbindlich einzuleiten, indem auch diese haushaltsrechtlichen Innovationen in das Gesetz aufgenommen werden“, erklärte Kröning. Mit den „kreativen Formen“ des Schuldenmachens wäre dann Schluss. „Ich hoffe, daran beteiligen sich Bund und Länder“, erklärte er am Ende seiner Festrede – und allen Anwesenden war klar: Die Länder beteiligen sich daran bisher überhaupt nicht. K.W.
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