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Rote Äpfel zu verkaufen

Um stärker zu werden, greifen die SPD-Linken erst mal zum Mittel der Spaltung. Neben dem traditionellen Donnerstagskreis soll es künftig ein weiteres Forum der linken Genossen geben

von SABINE AM ORDE

Der linke Flügel der Berliner SPD will zurück in die Offensive. Und dazu machen die Genossen, was Linke in Krisenzeiten gerne tun: Sie spalten sich.

Rund 30 Mitglieder wollen aus dem traditionellen Donnerstagskreis, in dem die SPD-Linke bislang diskutierte und Sach- und Personalabsprachen traf , austreten und einen neuen linken Zirkel gründen. „Das soll eine Art vereinigte Linke werden“, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Klaus-Uwe Benneter, der bis vor zwei Wochen Sprecher des Donnerstagskreises war.

Damit will man sich von der eher traditionellen Linken abwenden. Künftig sollen „breite Kreise“ bis zur so genannten Kuschellinken, zu der auch Fraktionschef Klaus Wowereit gehört, in die Diskussion eingebunden werden. Angesprochen werden sollen auch Sozialdemokraten aus dem Ostteil der Stadt, die sich bisher kaum im Donnerstagskreis engagierten.

Zu ersten Vorbereitungen, sagt Benneter, hätten sich letzte Woche rund 30 Parteilinke getroffen. Mit von der Partie: der ehemalige Juso-Chef Matthias Linnekugel, die stellvertretende Parteivorsitzende Monika Buttgereit, Sozialstaatssekretärin Ingeborg Junge-Reyer, ihr Kollege aus dem Jugendressort, Frank Ebel, die Kreisvorsitzenden Christian Gaebler (Wilmersdorf) und Swen Schulz (Spandau) sowie der ehemalige Kreuzberger Kreisvorsitzende Andreas Matthae.

Im Mai wollen sie das neue Gremium konstituieren. Schließlich ist im Juli Landesparteitag, auf dem die Führungscrew der Berliner SPD neu gewählt wird. Dort müssen auch Nachfolger für die scheidenden stellvertretenden Landesvorsitzenden Benneter, Buttgereit und Junge-Reyer gefunden werden.

Anlass für die Abspaltung innerhalb der Linken, von der schon früher die Rede war, ist die Neuwahl des dreiköpfigen Sprecherrats des Donnerstagskreises vor zwei Wochen. Dort setzten sich die traditionellen Linken durch, die Privatisierungen ablehnen und sich für den öffentlichen Dienst stark machen. Jene, die Kanzlerfreund Benneter neuerdings als „Trotzkisten“ und „Sektierer“ beschimpft: der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Hans-Georg Lorenz, die Friedrichshainerin Gerlinde Schermer, eine der entschiedensten GegnerInnen von Privatisierung und Bezirksreform, und der bislang weitgehend unbekannte Schöneberger Stefan Grönebaum, Chefredakteur der bundesweit erscheinenden kommunalpolitischen Monatszeitschrift Demokratische Gemeinde.

Beide Gruppen wollen in der Spaltung keine Schwächung des linken Flügels sehen. „Nach einem sehr langen Niedergang ist das ein Neuanfang“, sagt Linnekugel. Und auch Grönebaum, der auf dem Parteitag gegen Parteichef Peter Strieder antreten will, meint: „Es kann nur besser werden, jetzt haben wir die Chance, endlich inhaltlich zu arbeiten.“

Das fiel seit Jahren schwer. Eigene Themen zu setzen und die Zukunft Berlins zu entwerfen, ist die Sache der Linken derzeit nicht. Schon lange prallen im Donnerstagskreis die eher traditionellen und die eher pragmatischen Linken aufeinander und lähmen sich gegenseitig. Inhaltliche Diskussionen und Standortbestimmungen habe man kaum noch geführt, berichten beide Flügel übereinstimmend. Ein angespanntes Gesprächsklima und persönliche Animositäten taten ihr übriges, der Kreis bröckelte stark, der Einfluss in der Partei sank. Meldete sich der linke SPD-Flügel zu Wort, dann nur zu Abwehrgefechten gegen die Privatisierungen von städtischem Eigentum, den Kosovo-Krieg oder die große Koalition. Damit scheiterte er jedoch regelmäßig an den Mehrheiten in der Partei. Vor einem Jahr versuchte der Donnerstagskreis, mit einem dreiköpfigen Sprecherrat die unterschiedlichen Strömungen zusammenzuführen, der inhaltliche Konflikt wurde vertagt. „Das ist gescheitert“, sagt Linnekugel.

Jetzt wollen beide Gruppen statt zum „kleinsten gemeinsamen Nenner“ zu wirklichen Positionsbestimmungen zurück. Bei den Themen unterscheiden sie sich dabei kaum: Die Debatte um öffentliches Eigentum, soziale Stadtentwicklung und die Zusammenarbeit mit der PDS steht für beide Seiten an.

Bis zur Offensive aber scheint es noch ein weiter Weg. „Noch haben wir keine Antworten“, sagt Linnekugel, „vielleicht noch nicht mal die richtigen Fragen.“

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