: Der Android
Bis gestern galt der Profiboxer Witali Klitschko als unbesiegbare Kampfmaschine. Jetzt tut ihm der Rücken weh, und der Titel ist weg
Das war eine ganz lustige Idee. Der Ringsprecher hätte sagen sollen: „In der roten Ecke: Doktor Eisenfaust! In der blauen Ecke: der Patient! Und jetzt beginnt die Operation!“
Doktor Eisenfaust wäre der Profiboxer Witali Klitschko (28) gewesen, Schwergewichtsweltmeister des nicht ganz unwichtigen Weltverbands WBO und außerdem seit kurzem Doktor der Sportwissenschaft. Beim Patienten hätte es sich um Chris Byrd gehandelt, 29-jähriger Profiboxer aus Michigan/USA. Am Samstag im Berliner Estrel-Hotel hat aber der Anästhesist versagt, der Patient zurückgeschlagen, und Dr. Witali Klitschko ist seinen WM-Titel wieder los. Zu Beginn der zehnten Runde gab er wegen einer Schulterverletzung auf. Kandidat Witali ist beim Rigorosum durchgerasselt, obwohl er doch den Ruf hatte, unschlagbar zu sein, und diesen Ruf in den USA bekannt machen wollte. Bis zum Samstag wies sein Kampfrekord beeindruckende 27 Kämpfe, 27 K.o.-Siege aus – und das machte in den USA neugierig: Der Byrd-Kampf wurde dort vom TV-Sender HBO gezeigt, der Manager von Lennox Lewis, Weltmeister der wirklich angesehenen Verbände WBA, WBC und IBF, kam am Samstag extra nach Berlin , um sich mal den ukrainischen Wunderboxer anzugucken. Am 29. April, wenn Lewis in New York seinen Titel gegen Michael Grant verteidigt, wird Witalis jüngerer Bruder Wladimir (23), der im Herbst Europameister geworden ist, im Vorprogramm antreten.
Nun ist der Ruf der Klitschkos erst mal ruiniert. Bis Samstag galten sie noch als Wiedergänger der sowjetischen Kampfmaschine Drago aus „Rocky IV“ (1985), doch die wurde ja letztlich von Sylvester Stallone auch nachhaltig gestoppt. Und ähnlich wie bei den Klitschkos musste auch bei Drago nur mal ein mutiger Mann kommen und sich dem durch Wissenschaftswahn gedrillten scheinbaren Androiden entgegenstellen.
Witali und Wladimir sehen sich so ähnlich, dass man sie glatt für Produkte eines gentechnischen Forschungslabors der Roten Armee halten könnte. Beide promovieren an der Universität Kiew – Witali schloss mit einer Arbeit über Talententwicklung ab, Wladimir forscht noch über ein psychologisches Thema –, beide behaupten, dem GAU von Tschernobyl 1986 ihr Wachstum zu verdanken – Witali ist 2,02 Meter, Wladimir 2,00 Meter lang –, und beider Vater ist Vier-Sterne-Offizier der ukrainischen Armee.
Von dem fürchterlichen Brüderpaar ist aber nun bloß Wladimir übrig. Für Witali gibt es nur noch eine Chance: einen Kampf gegen seinen Bruder. Das wäre, wie Knud Kohr im Tagesspiegel formulierte, „das größte Ding seit Kain und Abel“. Mithin ein erkennbar schönerer Slogan als der von Doktor Eisenfaust und seinem Patienten. MARTIN KRAUSS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen