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Der Fehlstart der neuen CDU

In einer Woche hält die CDU ihren Erneuerungsparteitag. Anti-Green-Card-Kampagne und Unsicherheit in der Rentenpolitik vermasseln das Bild

Von PATRIK SCHWARZ

Es war so schön geplant. Eine neue Mannschaft sollte die CDU zu neuen Zielen führen. Helmut Kohl und seine Affären wollten die Christdemokraten endlich hinter sich lassen, sich ganz dem Kampf in der Sache widmen - gegen die rot-grüne Bundesregierung.

Doch am Tag, da Helmut Kohl Geburtstag hat, steht die CDU nach Kohl kläglich da. Ausgerechnet die Freunde stellen sich gegen sie: Ihr Fraktionsvorsitzender wird von der eigenen Schwesterpartei CSU öffentlich abgewatscht. Ihr Spitzenkandidat im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW, Jürgen Rüttgers, wird von der Wirtschaft gegeisselt. Wieso wurde der Aufbruch zur Bauchlandung?

Seit Donnerstag muss der frischeste Hoffnungsträger in der Partei mit dem großen Bedarf an Hoffnungsträgern sich heftiger Anwürfe erwehren. Eine volle Besteuerung der Renten soll Merz gefordert haben, jedenfalls zitiert so die Bild aus einem Aufsatz aus Merz‘ Feder. Ehe die Opposition so richtig zum Luftholen kam, wurde Merz bereits von den eigene Leuten angegriffen. Ein Aprilscherz sei die Idee, warf ihm CSU-Generalsekretär Thomas Goppel vor, „Nonsens!“ rief Merz‘ eigener Vize in der Bundestagsfraktion, Horst Seehofer (CSU).

Seitdem ist der Hoffnungsträger in der Defensive. Erklärt, bei seinem Aufsatz handle es sich um Überlegungen, nicht Forderungen. Beteuert, sie stammten aus einer fachjuristischen Abhandlung, die die meisten seiner Kritiker offenbar gar nicht gelesen hätten. Appelliert daran, vorurteilsfrei zu lesen. Stellt klar, dass die Union die heutigen Renten weder kürzen noch besteuern will.

Die Grünen kennen das nur zu gut: Das Zurückrudern, das Richtigstellen, der Hinweis auf die Experten, die doch die eigene Ansicht teilten. Vergebens. Ist eine politisch brisante Forderung ersteinmal in der Welt, lässt sie sich nicht mehr zurückholen. Die Grünen mussten diese Erfahrung mit ihrem berüchtigten „Fünf-Marks-Beschluss“ machen, als sie vor der Bundestagswahl auf ihrem Magdeburger Parteitag eine Ökosteuer von fünf Mark pro Liter Benzin propagierten. Der Zeitpunkt der öffentlichen Aufregung war kein Zufall: erstmals galten die Grünen als mögliche Regierungspartei, ihre Ansichten wurden plötzlich ernstgenommen. Merz erging es ähnlich. Sein Aufsatz wurde verfasst für eine „Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Pensionssicherungsvereins“ und wäre unbeachtet geblieben, wenn ihr Autor nicht kurze Zeit später Oppositionsführer im Bundestag geworden wäre. Dumm, dass er den Text nicht von seiner web-site nahm.

Handwerkliche Fehler werden solche Vorgänge im politischen Betrieb gern genannt und die Verursacher derselben wollen damit signalisieren, sie hätten politisch das Richtige gewollt, auch wenn sie es vielleicht ein wenig ungeschickt präsentierten. Dahinter steht die Hoffnung, die Öffentlichkeit möge doch bitte bei der politischen Beurteilung die „handwerkliche Fehler“ aussen vorlassen. Die Wähler sehen das meist anders. Ihnen ist die Ursachenforschung gleichgültig - Fehler ist Fehler.

Während Friedrich Merz die Woche eher kleinlaut beendete, mag der etwas ältere und frühere Hoffnungsträger Jürgen Rüttgers noch nicht glauben, dass er womöglich einen Fehler macht. Der Mann, der sich in Bonn Zukunftsminister nannte, will an seiner Kampagne gegen die Green-Card der Bundesregierung festhalten, auch wenn es ihn und seine Christdemokraten die Sympathie ihrer treuesten Anhänger kostet - der Wirtschaftsführer. Rüttgers mag gehofft haben, es seinem Parteifreund Roland Koch in Hessen gleichzutun und mit einer populistischen Aktion die Landtagswahl zu gewinnen. Dabei hat er allerdings Unterschiede übersehen, die seine Kampagne schnell zum Desaster werden lassen können. Rot-Grün hatte den Doppelpass, gegen den Roland Koch polemisierte, ohne politische Flankensicherung in die Debatte gebracht. Im Gegensatz dazu ersann Gerhard Schröder die Green-Card weder im Koalitionsausschuss noch im Kabinettssaal, sondern in einer Runde mit Wirtschaftsführern der Regierungs-gesponserten „Initiative D21“. Die Präsentation der Idee auf der Cebit brachte nur sichtbar zum Ausdruck, was Schröder zu diesem Zeitpunkt längst wusste: Mit der Green-Card kann Rot-Grün sich bei der Wirtschaft sehen lassen.

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