: „Die Hürden senken“
Laurenz Meyer, CDU-Fraktionschef im Landtag Nordrhein-Westfalens, über Münteferings Vorschlag zur Einführung von Volksabstimmungen
taz: Der SPD-Generalsekretär und NRW-Landesvorsitzende Franz Müntefering hat sich für die Einführung von Volksbegehren und -entscheiden auf Bundesebene ausgesprochen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Meyer: Ich bin sehr überrascht. Bisher haben sich Franz Müntefering und die SPD in Nordrhein-Westfalen sehr restriktiv gezeigt, was die Mitsprache der Bürger angeht, und alles abgelehnt, was zu mehr Bürgerbeteiligung hätte führen können. Auch die Grünen haben immer wieder gesagt, dass sie bei entsprechenden Vorschlägen der CDU nicht mit uns stimmen könnten, weil ihr Koalitionspartner das verhindert. Auf seiner nächsten Sitzung wird der Landtag wieder über entsprechende Anträge der CDU für mehr Bürgerbeteiligung beschließen. Da bin ich sehr gespannt, wie die SPD sich verhält.
Wie erklären Sie sich den Vorstoß Münteferings?
Das hat wahrscheinlich etwas mit den nahenden Landtagswahlen im Mai zu tun. Vielleicht merken die Sozialdemokraten, dass die Bürger es leid sind, dass die SPD das Land Nordrhein-Westfalen wie ihr Eigentum behandelt, und wollen nun mit solchen Vorschlägen gegensteuern, um diese Stimmung zu drehen. Aus Überzeugung machen die das bestimmt nicht.
Glauben Sie, dass die Einführung von Volksentscheiden und -begehren tatsächlich ein adäquates Mittel ist, um der grassierenden Parteienverdrossenheit entgegenzuwirken?
Dass das ein Allheilmittel ist, kann man sicher nicht sagen. Aber auf alle Fälle geht es darum, den Bürgern mehr Mitspracherechte zu geben. Wir sind zum Beispiel der Meinung, dass gravierende Verfassungsänderungen automatisch einer Volksabstimmung zugeführt werden sollten. Aus meiner Sicht ist es ebenfalls wichtig, die Hürden für Volksbegehren zu senken und auch Bürgeranträge möglich zu machen, mit denen sich dann der Landtag beschäftigen muss.
Und Sie sind auch für die Einführung solcher Instrumente auf Bundesebene?
Zunächst einmal will ich das auf der Landesebene. Aber ich glaube, dass man solche Elemente direkter Demokratie auch ohne weiteres auf die Bundesebene übertragen kann. Die Frage ist: Sind die Parteien bereit, wirklich Macht an die Bürger zurückzugeben? Nach meiner Überzeugung haben sich die Parteien mit ihrem Einfluss in zu vielen Bereichen ausgebreitet. Die Bürger verspüren doch manchmal nur noch Ohnmacht. Beispielsweise wenn sie an die Personalpolitik der SPD in Nordrhein-Westfalen denken. Dagegen müssen wir ansteuern.
Franz Müntefering schlägt auch vor, in der SPD Vorwahlen nach US-amerikanischem Vorbild einzuführen, bei denen auch Nicht-SPD-Mitglieder sich an Kandidatenaufstellungen beteiligen könnten. Wäre das nicht auch ein Modell für die CDU?
Da müsste man sich mal näher mit auseinander setzen, was Müntefering mit diesem Vorschlag überhaupt meint. Die Amerikaner machen ihre Vorwahlen deshalb, weil es in den USA Parteien in unserem Sinne gar nicht gibt. Das ist nicht einfach übertragbar. Ich bin erst mal nur gespannt, ob die SPD wenigstens dem zustimmt, was wir im Landtag eingebracht haben.
Interview: PASCAL BEUCKER
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