: Menschenopfer für den Satan
Wegen eines rituellen Doppelmordes verurteilt ein Gericht im polnischen Kattowitz zwei Satansjünger zu langjährigen Freiheitsstrafen
WARSCHAU taz ■ Eine Satansmesse hatten sie feiern wollen, vier junge Leute, Freunde vom Sandkasten an und ohne größere Probleme, wie es schien. In einem Bunker im schlesischen Ruda Slaska war alles vorbereitet: das umgekehrt aufgehängte Kreuz, schwarze Kerzen und Kreide, um die Teufelsbeschwörungen an die Wand zu malen. Festlich gekleidet betraten sie die Kultstätte des Bösen.
Als die 19-jährige Karina und der 17-jährige Kamil knieten, stachen Tomasz Suszyna und Robert Krakowian zu. Weder Karina noch Kamil wussten, dass sie Satan geopfert werden sollten. Vergeblich schrien sie gegen die rituellen Teufelsbeschwörungen der Freunde an. Nach je 19 Stichen waren beide tot.
Dann versuchte Tomasz Suszyna Selbstmord zu begehen, hieb sich das Messer mehrmals in den Bauch, fiel aber nur in Ohnmacht. Stunden später retteten Ärzte im nahen Krankenhaus sein Leben. Robert Krakowian, der auch hatte Selbstmord begehen sollen, rannte in Panik aus dem Bunker. Am nächsten Tag wurde er von der Polizei gefasst.
Ende letzter Woche, gut ein Jahr nach dem Ritualmord, sprach das Gericht in Kattowitz das Urteil: lebenslänglich für Tomasz Suszyna (20), da dieser keine Reue zeigte. 25 Jahre Haft für Robert Krakowian (21), der heute nur mit Entsetzen an die Nacht im Bunker zurückdenkt. Aus Angst, in einer Teufelsmesse geopfert zu werden, haben sich in den letzten Tagen über hundert junge Menchen aus ganz Polen bei Ryszard Nowak, dem Chef des polnischen „Komitees zur Verteidigung gegen Sekten“, gemeldet.
Schätzungen zufolge bekennen sich in Polen rund 20.000 junge Menschen zum Satanskult. Die Zahl der Sektenanhänger hat Anfang der 90er-Jahre stark zugenommen und ist bis heute auf rund eine Million gestiegen. Legal registriert sind in Polen 150 „religiöse Bewegungen“, weitere 150, davon gehen Experten aus, leben ihren Kult möglichst losgelöst von jeder gesellschaftlichen Kontrolle.
Zu ihnen zählt auch die „Kirche Satans“, die auf den Gründer Anton Szandor LaVey zurückgeht und sich als „brutale Religion des Elitedenkens und Sozialadarwinismus“ bezeichnet. Vor allem für Jugendliche gefährlich ist der individuelle Satanismus, dessen Anhänger auch die „Satanische Bibel“ lesen und die „neun satanischen Gebote“ LaVeys anerkennen, zusätzlich aber in schwarzen Messen den Teufel als „Gott des Bösen“ anbeten und ihm Opfer darbringen. Meist sind dies kleine Tiere, es können aber auch Menschen sein.
In Polen ist der Ritualmord von Schlesien bereits der vierte in Folge. 1993 hatte ein Satanist ein Mädchen auf dem Friedhof von Zabrze hingerichtet, 1997 trieb ein Sektenführer in Biala Podlaska zwei Schüler und bekennende Satanisten in den Selbstmord, im Jahr darauf ermordete ein Teufelsjünger in Legnica einen Obdachlosen „für meinen Herrn“, wie er bekannte.
Nicht nur der Staat, auch die katholische Kirche hat nach dem ersten Ritualmord Gegenmaßnahmen ergriffen. In Tschenstochau, dem wichtigsten Wallfahrtsort in Polen, hat das staatliche Komitee zur Verteidigung gegen Sekten seinen Sitz. In Warschau kümmert sich der Dominikanerorden um Sektenopfer und deren Angehörige. Vor 1989 war die Kirche der Hort des politischen Widerstandes. Heute ist sie eine Institution, die moralisches Wohlverhalten einfordert und die Gläubigen über regelmäßige Hausbesuche kontrolliert. Eine Million Abtrünnige haben die Kirche in Alarmbereitschaft versetzt. Dennoch bleibt die Kontrolle der Gläubigen ihr Allheilmittel. Gerade sie treibt die Jugendlichen in die Arme der Sektenführer. GABRIELE LESSER
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