: Andrea Fischer hat nur mal laut gedacht
Ministerin erwägt höhere Beiträge für Skifahrer, Miethaie und Börsengewinnler. Krankenkassen: Quatsch
BERLIN taz ■ Eine Überlegung sollte es sein. Es sei so viel gewesen wie „einmal über den Tag hinausgucken“. Mehr habe die Bundesgesundheitsministerin doch nicht gewollt, stellt ihr Presssesprecher fest. In Bild hatte sich Andrea Fischer gestern Gedanken gemacht, wo sie neue Geldquellen für die gesetzlichen Krankenkassen erschließen könnte. Drei Möglichkeiten sieht sie: bei „Risikosportgeräten“, Mieteinnahmen und an der Börse.
Sie werde häufig gefragt, warum nicht derjenige, der zum Beispiel Skier kauft, über den Preis automatisch einen Beitrag zu einer Unfallversicherung zahle. Fischer scheint Gefallen an dem Vorschlag zu finden, dass eine solche Versicherung dann für Sportunfälle aufkommt: „Wir sollten das unvoreingenommen prüfen“, sagte sie. Höhere Beitragssätze in den gesetzlichen Krankenkassen will die Gesundheitsministerin „auf jeden Fall vermeiden“. Lieber schöpft sie die Versicherten auf anderem Wege ab. „Ich sehe nicht, warum sich die Höhe des Beitrages nur nach dem Arbeitseinkommen/Gehalt richten soll“. Lieber „frage ich mich, warum zum Teil riesige Aktiengewinne oder Einkünfte aus Vermietung vollkommen unberücksichtigt bleiben“.
Jeder, der weniger als 6.450 Mark im Westen (Osten: 5.325 Mark) monatlich verdient, ist derzeit Pflichtmitglied einer gesetzlichen Krakenkasse. Fischers Idee der erweiterten Finanzierung begeistert nicht jeden. „Eine Schnapsidee“, bescheidet FDP-Vize Rainer Brüderle.
Auch bei den Krankenkassen fällt die Antwort knapp aus: „Wir halten nichts davon“, sagt eine Sprecherin der Techniker Krankenkasse. Die Unfallversicherungsabgabe sei ein „zweischneidiges Schwert“. Skifahren an sich sei nicht gefährlich und Radfahren zähle sicherlich zu den risikoarmen Sportarten. „Aber wenn ich aus dem Stand hinfalle, kann ich mir auch dabei üble Verletzungen zufügen.“
Über die Abschöpfung von Aktiengewinnen oder Mieteinnahmen möchten die Kassen bei allem finanziellen Druck nicht nachdenken. Berechnung und Eintreibung der Gewinne seien für die Kassen zu aufwendig. „Wir sind und wollen nicht zu einem zweiten Finanzamt werden“, heißt es beim Verband der Angestellten-Krankenkassen. Derzeit führen die Arbeitgeber die Kassenbeiträge vom Bruttogehalt direkt ab. Auch der Sozialverband VdK warf Fischer gestern vor, hinter ihren Vorschlägen „verstecke sich nichts anderen als eine höhere Belastung frü den Patienten“. ANNETTE ROGALLA
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