: Mit Bafög Rot-Grün ausmanövrieren
Wie Jürgen Möllemann (FDP) den Bundestag für seinen Wahlkampf in NRW einspannen wollte
BERLIN taz ■ Jürgen Möllemann hatte sich viel vorgenommen an diesem schönen Montag. Zuerst präsentierte der FDP-Spitzenkandidat in NRW eine Bildungsoffensive seiner Partei mit dem forschen Namen „Invest!“. Ein Kernpunkt: ein Vorschlag zur Bafög-Reform. Gleich im Anschluss stand Möllemann einer von ihm selbst durchgesetzten Expertenanhörung des Bundestages vor. Thema: Die Bafög-Reform. Ein lustiger Zufall?
Der Reihe nach. Am Morgen verteilte der scheidende Vorsitzende des Bundestags-Bildungsauschusses erst einmal Ohrfeigen an die rot-grüne Regierung. „Zum Sankt-Nimmerleins-Tag“ habe man die vor der Wahl groß angekündigte Bafög-Reform verschoben, kritisierte Möllemann. Die Regierung sei wortbrüchig geworden, auch die Bildungsausgaben nicht, wie versprochen, verdoppelt worden.
Was es nun zu tun gelte, stellte Möllemann gleich im Anschluss vor. Das „Invest!“-Konzept sieht eine Verkürzung der Schul-, Ausbildungs- und Studienzeiten vor, zusätzlich soll den Hochschulen mehr Autonomie zugebilligt werden. Außerdem mahnt die FDP eine grundlegende Bafög-Reform mit einem Drei-Körbe-Modell an.
Demnach würden alle Antragsteller aus dem ersten Korb eine Grundförderung von 500 Mark bekommen, auf die allerdings Leistungen wie das Kindergeld angerechnet werden. Aus Korb zwei fließen sozial gestaffelt weitere 350 Mark. Aus dem dritten Korb könnte es dann zinslose Darlehen bis zu 750 Mark geben.
Wenn Möllemann auf Schützenhilfe in der Expertenanhörung spekulierte oder sich zumindest auf heftige Koalitionsschelte gefreut hatte, so wurde er enttäuscht: Ganz sachlich sei die Erörterung verlaufen, urteilte Dieter Dohmen vom Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie – und freute sich.
Wie viele seiner Kollegen war Dohmen zwar enttäuscht, dass die ersehnte umfassende Bafög-Reform noch auf sich warten lässt. „Natürlich wäre uns eine Strukturreform lieber gewesen, am besten schon zum Wintersemester“, stellte der Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz, Rupert Huth, klar.
Doch die hat Kanzler Gerhard Schröder nun mal gekippt. Und an den Verbesserungen der Regierung – wie auch am Modell der FDP – fanden die Vertreter von Hochschulen, Gewerkschaften und Studentenschaft sowohl Gutes als auch Schlechtes.
Der Bildungsökonom Dieter Dohmen plädierte dafür, die Schülerförderung wieder aufzunehmen und die Einkommensfreibeträge zu erhöhen und zu vereinheitlichen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fand lobende Worte für die kleinen Schritte der Regierung, mahnte aber Tempo an. Gleichzeitig schlug sie eine Enquete-Kommission vor, um eine ausgewogene Strukturreform auf den Weg zu bringen. Und Jürgen Möllemann? Blickte müde in die Runde, von Offensive vorerst keine Spur mehr. ASTRID GEISLER/GUNNAR MERGNER
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