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Hoppe, hoppe, Reiter

Die Reiterstaffel der Polizei feiert Jubiläumund soll trotz Ineffektivität weiterbestehen

von PLUTONIA PLARRE

Wenn es nach den Bündnisgrünen gegangen wäre, hätte es das 50-jährige Jubiläum nicht gegeben: Die Reiterstaffel der Polizei wäre wegen Kostenersparnis längst aufgelöst, die Beamten versähen einen normalen Dienst bei der Polizei, und die Gäule würden auf brandenburgischen Wiesen das Gnadenbrot fressen.

Aber es hatte nicht sollen sein. Der Grund: Die berittenen Polizisten gelten als große Sympthieträger bei der Bevölkerung und haben die einflussreiche Polizeigewerkschaft (GdP) hinter sich. Folglich knallten bei der gestrigen Jubiläumsfeier in der Reiterwache Grunewald die Sektkorken. Beim Empfang hatte sich alles versammelt, was bei der Polizei und Innenverwaltung Rang und Namen hat oder sich sonst Pferden verbunden fühlt. Das Polizeiorchester spielte auf, auf dem Grill brutzelte das Spanferkel, und selbst der Mann, der Polizeipräsident Hagen Saberschinsky 1960 das Reiten beigebracht hat, fehlte nicht. „Er war nicht sehr talentiert, aber sehr ehrgeizig“, erinnerte sich der 72-jährige Herbert Nolte.

Dabei hatte der Reiterstaffel das letzte Stündlein schon geschlagen. Nicht nur die Bündnisgrünen, auch der Landesrechnungshof und die Unternehmensberatungsgesellschaft Mummert und Partner (M & P), die die Polizei auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüft hat, waren Mitte der 90er Jahre zu der Auffassung gekommen, dass die Reiterstaffel zu teuer ist und uneffektiv arbeitet.

Die damals noch 97 Beamten säßen nur drei Stunden im Sattel, der Rest der Dienstzeit vergehe mit Transport und Pferdepflege, so das Urteil von M & P. Der kalkulierte Einspareffekt: 8,5 Millionen Mark. Mit einer veränderten Einsatzkonzeption gelang es der Reiterstaffel jedoch, ihren Tod zu verhindern. Die Truppe wurde 1998 auf 75 Beamte und 45 Pferde abgespeckt und wird seither nicht nur in den Wäldern und Grünflächen, sondern verstärkt im Innenstadtbereich sowie bei Sportveranstaltungen und friedlich verlaufenden Demonstrationen eingesetzt. „Ein Polizeireiter ersetzt im Einsatz zehn Polzisten“, behauptet GdP-Chef Eberhard Schönberg.

Auch Arne Wabnitz, Personalratsvertreter und langjähriger Polizeireiter, ist stolz auf das Ergebnis. „Wir haben die Reform sehr sozialverträglich hingekriegt.“ Damit meint er nicht nur für die Beamten, sondern auch für die Pferde, denn keines der in den Ruhestand geschickten Tiere musste zum Schlachter. Die Kritik der Grünen versteht Wabnitz überhaupt nicht, wo doch die Partei doch sonst so naturverbunden sei. „Vielleicht kommt das noch aus den 60er Jahren, wo die Polizeireiter bei Demonstrationen in schwere Keilereien verstrickt waren“, vermutet er. Den Vorwurf, dass hier Pferdefreunde auf Kosten des Steuerzahlers das Hobby zum Beruf machten, kontert Polizeihauptkommissar Werner Hofmann mit der Bemerkung: „Immer Torten essen schmeckt auch nicht.“ Richtig sei natürlich, dass man schon ein Tierfreund sein müsse, um bei der Truppe Bestand zu haben. Jedes Pferd hat seinen eigenen Reiter, der zwischen fünf und sechs Stunden täglich im Sattel verbringt. Danach kommt füttern und bürsten. „So lange wie mit dem Pferd ist keiner am Tag mit der eigenen Frau zusammen.“ Den Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Wolfgang Wieland, würde Hofmann am liebsten einmal ein paar Stunden aufs Pferd binden, um ihm zu zeigen, dass er „wie der Blinde von der Farbe“ rede.

Doch der hält daran fest, dass die Reiterstaffel ein alter Zopf sei, der abgeschnitten gehört, und die Polizei andere Dinge dringender brauche. So hatten die Grünen zum Beispiel bei den Haushaltsberatungen 500.000 Mark zur Bereitstellung von Schutzwesten für Polizeibeamte gefordert. Auch für eine Erneuerung des veralteten Fahrzeugparks wollten sie zwei Millionen Mark zusätzlich zur Verfügung stellen. Doch das wurde von der großen Koalition niedergestimmt.

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