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Jungnazi aus Hartplastik

Den Verfassungsschutzbericht gibt es jetzt auch als Freizeitpark mit Zeigefinger

BERLIN taz ■ Rauchschwaden und ein Auto in Flammen. Eine Glaubenskriegerin mit der AK-47 im Arm und grölende Skinheads. Eine Ausstellung über den traurigen Alltag in fernen Ländern? Das Plakat mahnt: „Es betrifft Dich!“ Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat aus seinem Jahresbericht einen Erlebnispark modelliert.

Die Ausstellung soll Schülern die Gefahren des Extremismus eintrichtern – und die scheinen, betrachtet man das Plakat, beträchtlich zu sein. „Wir haben uns auch überlegt, ob das zu drastisch ist“, bekennt Helmut Heindrichs, Pressesprecher der Verfassungsschützer. Was soll’s. Demnächst wandert die Ausstellung durch die Republik.

„Das Portal der Freiheit“: Ein letzter Blick auf die Grundrechte des Bundesbürgers. Die Collage zeigt Bravo-Heft (Pressefreiheit?), Paddeln im Meer (Reisefreiheit?) und Dosenmilch (Wahlfreiheit?). Schöne Welt, ade.

Schon dräut ein Steg, mit roten Warnlampen bewehrt: die „Schwelle zum Extremismus“. Ab hier geht es ins Herz des Rechtsextremismus. Es grüßt ein Jungnazi aus Hartplastik. Ein Abc rechtsextremer Parteien findet sich daneben und was der Skinhead beim Vorspiel hört (die CD „Unter Führers Befehl“). Nebenan werden Linksextreme und Fundamentalisten abgehandelt.

Auf den Infoblock folgt die Psychobox. Der Raum ist schwarz, die Musik treibt den Puls hoch, zwischen Silhouetten von Gewaltopfern erblickt der Besucher das eigene Gesicht. Die Spiegelung sagt: Du bist bedroht.

Zum Abschied winkt Herr Goebbels. Gegen den drallen Hartplastiknazi gibt er eine schwache Figur ab: flach, schwarzweiß und aus Pappe. Nur die Stimme ist Hightech, CD sei Dank. Dann wird es wieder hell und licht. Der Verfassungsschutz erläutert seine Aufgaben und Ziele. Von den Stellwänden lächeln glückliche Menschen.

GUNNAR MERGNER

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