: Mirow bleibt dem Standort treu
A3XX: Wirtschaftssenator soll mit falschen Angaben Bürgerschaft getäuscht haben, behauptet der BUND und fordert Rücktritt ■ Von Sven-Michael Veit
Thomas Mirow lässt sich nicht so schnell beeindrucken. Mit einem Schulterzucken übergeht Hamburgs SPD-Wirtschaftssenator selbst Rücktrittsforderungen. „Kein Kommentar“, lautet seine offizielle Stellungnahme zu nämlicher Forderung des Hamburger Bundes für Natur und Umwelt (BUND). Dessen Geschäftsführer Manfred Braasch verlangte gestern Mirows Abdankung, weil dieser „die Bürgerschaft getäuscht hat“.
Beim im Oktober 1998 eröffneten Planfeststellungsverfahren für die Endmontage des Riesen-Airbus A3XX im Dasa-Werk Finkenwerder, so der Vorwurf des BUND, operiere die Wirtschaftsbehörde vorsätzlich mit falschen Zahlen. Als Beleg nennt Braasch ein ihm zugespieltes Papier von Airbus Industries aus dem April 1998, in dem konkrete Standortanforderungen („Requirements“) für den A3XX genannt werden. Diese aber widersprechen den offiziellen Planungsunterlagen der Hansestadt.
In diesen Requirements, die der taz hamburg vorliegen, skizziert der Luftfahrtkonzern zwei Optionen für den Bau des doppelstöckigen Jumbo in Finkenwerder. „Case I“ erfordert eine Verlängerung der Dasa-Werkspiste um 363 auf 2684 Meter, „Case II“ eine Start- und Landebahn von sogar 3035 Metern. Denn diese Option enthält auch ein Auslieferungszentrum, in dem der vollständige Innenausbau der Jets erfolgen würde. Dadurch würden sie schwerer und benötigten deshalb eine nochmals verlängerte Piste.
Die Planunterlagen der Wirtschaftsbehörde enthalten zwar dieses Auslieferungszentrum, nicht aber die längere Start- und Landebahn. Genannt wird nur die 2684-Meter-Piste aus Case I. Diesen Widerspruch kann Braasch sich nur „mit arglistiger Täuschung“ erklären. Mirows Behörde operiere mit falschen Zahlen, um das wahre Ausmaß der Werkserweiterung westlich ins Mühlenberger Loch und südlich bis in die Obstplantagen des Dorfes Neuenfelde zu verschleiern.
Mirows Sprecher Bernd Meyer verweist auf die „tatsächlichen Anforderungen“, die Airbus im Herbst 1998 an die Stadt gestellt habe. Diese seien in die Planungsunterlagen eingeflossen. Ob es ein halbes Jahr zuvor andere Entwürfe gegeben habe, sei unerheblich: „Wir können nur mit dem arbeiten, was Airbus offiziell beantragt.“ Diese Unterlagen jedoch, so Meyer, sind und bleiben vertraulich.
Deshalb vermag er auch nicht zu erläutern, auf welcher Grundlage Mirows Staatsrat Heinz Giszas dem Konzern bereits im Dezember 98 noch weitergehende Zusagen machte. Damals sicherte Giszas in einem vertraulichen Schreiben nicht nur Hamburgs Bereitschaft zu, „die geforderte Länge von 3035 m für Fall II herzustellen“. Sogar eine „Länge von 3185 m“ sei möglich.
Diese durch das damals gerade eröffnete Planfeststellungsverfahren nicht gedeckten Zusagen, so die Behörde, bezögen sich „auf künftige Entwicklungspotentiale“ des A3XX. „Konkrete Projektentwicklungen“ seitens Airbus lägen aber nicht vor, und somit sei das graue Theorie. Die Behörde würde doch nicht „sehenden Auges“, beteuert Meyer, „mit Daten arbeiten, mit denen Dasa nichts anfangen kann“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen