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Mutige Diplomatin

Die UN-Hochkommissarin Mary Robinson ist ebenso erfahren wie durchsetzungsfähig. Das musste jetzt sogar Wladimir Putin lernen

„Ich bin schockiert über die Grauen erregenden Berichte der tschetschenischen Zivilisten“ – das ist kein Satz, mit dem man sich derzeit in Moskau viele Freunde macht. Aber das wusste Mary Robinson sicher schon, bevor sie nach einer Tschetschenien-Reise ihre Pressekonferenz am Montag in der russischen Haupstadt gab. Und auch, dass Russlands Präsident Wladimir Putin die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte danach nicht empfangen wollen würde, wird ihr klar gewesen sein.

Die 55-jährige Ex-Präsidentin Irlands, die Generalsekretär Kofi Annan 1997 zur UN-Menschenrechtskommissarin berief, ist eine ebenso erfahrene wie durchsetzungsfähige Diplomatin. Sie stammt aus der westirischen Grafschaft Mayo, die für hohe Arbeitslosigkeit und die entsprechenden sozialen Probleme bekannt ist. Trotzdem schaffte sie den Sprung ins akademische Leben, studierte am Trinity College und dem King’s Inns in Dublin sowie in Harvard Jura – und das in den Sechzigern, als bereits die Tatsache, dass eine junge Irin überhaupt eine Hochschule besuchte, ein Skandal war. Robinson ließ sich dadurch nicht erschüttern und schloss ihr Studium mit Erfolg ab. 1969 wurde sie als eine der ersten Frauen Irlands als plädierende Rechtsanwältin zugelassen und in den Senat der Inselrepublik gewählt.

Domestizieren ließ sich die Juristin dadurch nicht: Bereits zwei Jahre später führte sie einen spektakulären Prozess – gegen das in Irland seit 1934 geltende Verbot von Verhütungsmitteln. Sie verlor. Kurz darauf aber erstritt sie für die irischen Frauen das Recht, Geschworene zu werden. Selbst dass die Irinnen nicht mehr zusammen mit ihren Ehemännern zur Steuer veranlagt werden, verdanken sie Robinson. 1988 schließlich kippte sie das Verbot der Homosexualität auf der Grünen Insel.

1990 wurde Mary Robinson überraschend zur Präsidentin gewählt – weil ihrem männlichen Gegenkandidaten nachgewiesen werden konnte, dass er gelogen hatte. Robinson nutzte die unerwartete Chance: In den folgenden sieben Jahren repräsentierte sie ihr Land weltweit auf eine bis dahin unbekannte, weibliche Weise – und verbreitete in wirtschaftlicher, politischer und kultureller Hinsicht ein bisher unbekanntes Bild Irlands. Robinson war das erste Staatsoberhaupt, das nach dem Völkermord Ruanda besuchte.

Dass mit ihr nicht gut Kirschen essen ist, hätte Putin im voraus wissen können. Stattdessen glaubte der wohl, er könnte eine naive Westeuropäerin an der Nase herumführen. Er lag falsch: Der Punkt geht an Robinson und die UNO. RÜDIGER ROSSIG

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