piwik no script img

Wie nett ist Merkels netter Junge?

Als modern und liberal rühmt Angela Merkel ihren neuen CDU-Generalsekretär. Das Urteil über seine Jahre als kirchentreuer CDU-Frontmann im schwarzen Münster fällt kritischer aus: Politische Konkurrenten schildern, er scheue auch die Schlammschlacht nicht

BOCHUM taz ■ Die designierte CDU-Vorsitzende hält viel von ihrem künftigen Generalsekretär. Ruprecht Polenz habe in seinen bisherigen Tätigkeiten gezeigt, dass er der CDU als Volkspartei der Mitte entspreche und etwas von modernen Kommunikationsformen verstehe, begründete Angela Merkel ihre Entscheidung für den 53-Jährigen.

Und in der Tat: Der Geschäftsführer der CDU in Münster, wo Polenz Kreisvorsitzender ist, ist begeistert von seinem Vorgesetzten. Der Neue an Merkels Seite habe den Mitarbeitern der Kreisgeschäftsstelle immer große Freiräume gelassen, sagt Rolf Klostermann. „Da trifft das Etikett ‚liberal‘ genau zu.“ Und die Anti-Doppelpass-Unterschriftenaktion sei in der Stadt schließlich auch nicht offensiv propagiert worden. So richtig dagegen war der Kreisverband allerdings nicht. In Münster seien die Unterschriften nicht auf der Straße, sondern im Büro gesammelt worden, sagt der Kreisvorstandssprecher der Grünen, Wilhelm Achelpöhler. Als dann Demonstranten das CDU-Büro besetzten, habe Polenz räumen lassen und gegen alle Besetzer Strafantrag gestellt. Über 20 Verfahren laufen noch. Ein intellektueller Typ ist Polenz nach Ansicht des Grünen, aber „der weiß genau, wie breit das Spektrum in der CDU ist, das er bedienen muss“.

Im Zweifel würde der vierfache Familienvater auch nicht vor einer Schlammschlacht gegen den politischen Gegner zurückschrecken. Im Kommunalwahlkampf 1989 etwa habe erstmals Rot-Grün im schwarzen Münster vorne gelegen, da holten die Christdemokraten die Keule raus. „Die haben dann eine Kampagne nach dem Motto geführt: Rettet unsere Stadt vor den Schwulen und Lesben.“

Man sollte sich nicht von Polenz’ „pseudo-liberaler Haltung“ täuschen lassen, ergänzt der grüne Landtagsabgeordnete Rüdiger Sagel. Er sei vor allem ein „großer Strippenzieher“, der es hervorragend verstehe, Seilschaften zu organisieren, um Machtpositionen zu erlangen. Tunlichst vermeide der gläubige Katholik Konflikte mit der erzkonservativen katholischen Kirche in Münster, hat Christoph Strässer von der SPD beobachtet, der Polenz bereits seit dessen Zeit im Münsteraner AStA kennt. So konnte zu seiner Zeit als CDU-Fraktionschef ein Zuschuss für Pro Familia im Rat erst durchgesetzt werden, als die FDP offen den Bruch der schwarz-gelben Koalition angedroht hatte, berichtet Strässer. Das ist allerdings kein Wunder in einer Stadt, wo noch der Bischof von der Kanzel verkündet, wen seine Schäfchen zu wählen haben. PASCAL BEUCKER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen