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Zu viel Schaum – zu wenig Bier

■ Bürgerschaft bestätigt Vollbier-Verbot des Innensenators fürs Volksparkstadion

Der Platz im Jahresrückblick 2000 ist dem Thema schon sicher. Abgesehen davon, dass die JournalistInnen die Chance hatten, sämtliche Wortspiele durchzuhecheln, die irgendwie mit „ernüchternde Stimmung“, „Fußball wie im Rausch“, „Vollkspark“ oder „Katerstimmung beim HSV“ zusammenhängen, weiß inzwischen auch jeder über den Promillegehalt eines Vollbieres und andere Geheimnisse aus der weiten Welt des Gambrinus Bescheid. Der so genannte Vollbierstreit hat auch die Bürgerschaft am Mittwochabend beschäftigt – ohne dass sich etwas an der Sache geändert hat: Dem bedauernswerten Hamburger Sportverein bleibt die Gleichbierrechtigung im Volksparkstadion weiterhin versagt.

HSV-Präsident Werner Hackmann kündigte gestern verärgert rechtliche Schritte an: „Dieser Beschluss ist wirtschaftsfeindlich.“

Eine große Koalition aus SPD, GAL und Regenbogen gestattet dem HSV nicht einmal den probeweisen Vollbier-Ausschank im eigenen Stadion, wie ihn die CDU gefordert hatte. Die Sicherheitsaspekte im Volkspark sprächen dagegen, erhielt SPD-Innensenator Hartmuth Wrocklage die seltene Genugtuung, Rückendeckung selbst vom Regenbogen zu bekommen. Die höheren Tribünen und steilen Niedergänge im Stadion würden für trunkene HSV-Fans zur gefährlichen Falle werden. „Ungerecht“ nannte es der CDU-Vorkämpfer für freies Bier für freie Bürger, Volker Okun, dass beim FC St. Pauli weiter ungehemmt getrunken werden darf. Denn am Millerntor zu bechern sei genauso gefährlich: „Das Pauli-Stadion ist baufällig, und dass bisher noch keiner der auf den Bäumen sitzenden Zuschauer runtergefallen ist, grenzt an ein Wunder.“ Er kritisierte zudem, dass das Vollbierverbot für die VIP-Logen im Volkspark nicht gelte. Und hier würden immerhin bei einem Heimspiel 300 Flaschen Schampus geköpft und 1800 Liter Vollbier dem Stoffwechsel zugeführt.

Wer in die Champions League will, orientiert sich allerdings eher an Bayern München und Bayer Leverkusen als am Zweitligadümpling FC St. Pauli. Und in München und Leverkusen werde auch kein Vollbier ausgegeben, erinnerte Jürgen Schmidt von der SPD. GAL-Sportexperte Hans-Peter de Lorent fand es wohltuend, nicht dauernd von besoffenen HSV-Fans angepöbelt zu werden, wie es früher vor dem Vollbierverbot gewesen sei.

Lutz Jobs vom Regenbogen und SPD-Gesundheitsexperte Mathias Petersen warfen der CDU Heuchelei vor. Petersen fragte sich, wie die CDU wohl argumentieren würde, wenn es um die Ausgabe von Hasch im Stadion ginge. Und die Gefahren von Alkohol seien doch schließlich höher einzuschätzen als die von Cannabis. Und für Jobs war das Ganze ohnehin „ein Sturm im Lightbierglas“. Womit er uns mal wieder ein neues Wortspiel beschert hat. Peter Ahrens

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