Straßen frei für Kiffer

Verwaltungsgericht gab einem Mann Recht, dem das Landeseinwohneramt wegen zwei Zügen an einem Joint im Stadion den Führerschein wegnehmen wollte – obwohl er mit der BVG fuhr

von BARBARA BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA

Eine wohlverdiente Niederlage hat das Landeseinwohneramt (LEA) vor dem Verwaltungsgericht erlitten: Die Führerscheinstelle wollte einem Mann, der im November 1998 im Olympiastadion an einem Joint gezogen hatte, den Führerschein wegnehmen. Obwohl er öffentliche Verkehrsmittel benutzt hatte, zweifelte das LEA wegen des Haschischkonsums an seiner Kraftfahreignung und verlangte ein Gutachten eines Arztes für Neurologie und Psychiatrie. Zwei Zeugen hatten bei der Polizei angezeigt, dass der 29-Jährige aus Neukölln innerhalb einer Stunde zweimal an einem Joint gezogen hatte.

Das beim Verwaltungsgericht angestrengte Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz hatte nun Erfolg. Gestern wurde der Beschluss veröffentlicht, der die Fahrerlaubnisentziehung in mehrfacher Hinsicht beanstandet. Der Antragsteller hätte zum einen zu einem Verkehrsmediziner geschickt werden müssen, wobei lediglich ein „Drogenscreening“ in Form einer Haaranalyse hätte angeordnet werden dürfen. Zum andern stellte das Gericht grundsätzlich in Frage, ob bei einmalig nachgewiesenem Cannabiskonsum ohne Bezug zum Straßenverkehr überhaupt eine ärztliche Untersuchung angeordnet werden darf. Denn das sei ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und in Bagatellfällen unverhältnismäßig. Ermittlungen zur Kraftfahreignung „ins Blaue hinein“ dürfe die Behörde nicht anstellen.

Das Gericht verwies in seiner Entscheidung auf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), das 1993 der Beschwerde eines Autofahrers stattgab, der sich nach dem Konsum eines Joints einem „Idiotentest“ unterziehen sollte. Wie das BVerfG äußerte das Berliner Verwaltungsgericht rechtliche Bedenken daran, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei Haschischkonsumenten einen ungleich strengeren Maßstab anlege als bei Alkoholkonsumenten.

Harald Remé, der Anwalt des 29-Jährigen, zeigt sich erfreut über den Erfolg: „Die Verfassungsmäßigkeit wurde bezweifelt.“ Es gebe eine „feste Rechtsprechung, dass bei einmaligem oder gelegentlichem Konsum kein Gutachten verlangt werden darf“. Remé betonte, dass es notwendig sei, „sich grundlegend neue Gedanken über die Unterscheidung zwischen harten und weichen Drogen“ zu machen. Das Landeseinwohneramt ließ gestern offen, ob es vor das Oberverwaltungsgericht ziehen wird.