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Wenn der Patient vom Spardiktat profitiert

■ Ärzte in Bremen-Nord gründen ein neues Netz, um gegen Kürzungspläne anzugehen und Patienten kooperativ und kostenbewusst versorgen zu können

Immer weniger Leistungen. Immer weniger Honorar. Und dazu noch unzufriedene Patienten. Diese Not der vergangenen Jahre hat Ärzte in Bremen-Nord erfinderisch gemacht: Sie schlossen sich jetzt zu einem Ärztenetz zusammen – um gemeinsam in den Kampf gegen sinkende Einnahmen und Frust in den Praxen zu ziehen. „Ärztenetz Bremen-Nord“ heißt die Erfindung, die in anderen Bundesländern längst Schule machte: Haus- und Fachärzte sowie Kliniken arbeiten eng zusammen, um durch bessere Kommunikation teure Doppeluntersuchungen zu vermeiden – und sich so den immer kleiner werdenden Kuchen gerechter aufzuteilen.

Das neue Netz in Bremen-Nord ging vor wenigen Wochen an den Start – entstanden aus alten reaktivierten „Freundschaften“, erzählt der Netzvereins-Vorsitzende Dirk Ibbeken. Die Kommunikation untereinander nämlich hatte in den vergangenen Jahren zunehmend abgenommen, berichtet der Chi-rurg. Schuld an diesen neuen „Ressentiments“ zwischen den Ärzten sei das gesundheitspolitische Spardiktat – und der Trend der Krankenkassen, „die einzelnen Arztgruppen immer mehr auseinanderzudividieren und gegeneinander auszuspielen“, wie zum Beispiel der neue Plan, den Hausarzt zum Losten im Gesundheitssystem zu machen – und die Fachärzte daneben arbeiten zu lassen.

Genau dagegen will das Ärztenetz an – im Sinne der Patienten aber auch in eigener Sache: Denn die „getrennte Schiene der Patientenbetreuung“ führt offenbar zu einem unterträglichen Konkurrenz- und Verteilungskampf. Die Bremen-Norder suchten daraus einen Ausweg und fanden das Motto: „Nur gemeinsam sind wir stark“.

Mittlerweile arbeiten 73 Ärzte zusammen – und wollen im „starken Bund“ statt in „kleinen Gruppen“ eine gute Patientenversorgung leisten. Das erwünschte Ziel laut Netzmitglied und Allgemeinmediziner Peter Rudolph: „Den Patienten so manche Träne ersparen – und wenn dann unterm Strich auch für uns Ärzte etwas herauskommt, ist das nicht zu verachten.“

Kummer kann das „Ärztenetz Bremen-Nord“ auf jeden Fall erheblich mindern: So soll ein neu entwickelter Patientenbegleitbrief helfen, dass Patientendaten schnell und unkompliziert den Arzt wechseln – bei der Überweisung vom Haus- zum Facharzt. „Wir tauschen uns aus über gemachte Untersuchungen und Ergebnisse. Das spart Zeit und Kummer und hilft, doppelte Untersuchungen zu vermeiden.“ Diese Zusammenarbeit schaffe auf Dauer so einiges, meinen die beiden Mediziner Rudolph und Ibbeken: Die Krankenkassen sparen Labor- und Gerätekosten, die Patienten Nerven – und „irgendwann können wir dann als starker Bund gegenüber den Krankenkassen auftreten und verhandeln, weil wir ja Abrechnungspunkte gespart haben.“

Doch das ist noch Zukunftsmusik – denn derweil verhandelt die Kassenärztliche Vereinigung noch mit den Kassen über Kosten und Honorare. „Da wollen wir momentan auch gar nicht dran rütteln“, sagt der Vereinsvorsitzende. Aber irgendwann würde man ja doch gerne einen Hebel haben – um als „geschlossener Block“ und „ernstzunehmender Partner“ gegen Leistungskürzungen anzugehen. „Sonst sind wir irgendwann soweit, dass jemand mit 70 keine Hüfte mehr erstattet bekommt.“

Das „wollen wir nicht“, sagt Allgemeinmediziner Peter Rudolph. Man wolle „Leistungskürzungen verhindern“ – ein Schlachtruf, der immerhin die Hälfte der knapp 140 Bremen-Norder Ärzte schließlich zum Mitmachen im Netz animiert hat. Dabei ergibt sich für sie jetzt noch „kein erkennbarer Nutzen“, sagt Rudolph – sondern erstmal nur Kosten: ganze 100 Mark pro Monat Mitgliedsbeitrag. Aber man hoffe ja, dass „sich das mal in Mark und Pfennig auszahlt“ – wenn man den Kassen tatsächlich eine Kostenersparnis nachweisen und dann mit ihnen verhandeln kann. kat

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