piwik no script img

So tun, als ob man lebt

Das Theater Z zeigt „...is watching you Fernseh-WG“ im Glashaus der Arena. Ein Drama, frei nach „Big Brother“: Sabrina onaniert, Patrick filmt, und alle wollen dabei ganz natürlich sein

von DETLEF KUHLBRODT

„Big Brother“ gibt es jetzt auch im Theater. Die „Fernseh-WG“ wurde am Freitagabend im Glashaus der Arena unter dem Titel uraufgeführt. Sie besteht aus Martin (Ben Hartmann), einem Handyverkäufer, Patrick (Friedrich Scheler), einem Germanistikstudenten, der seine Magisterarbeit hier schreiben will, Sabrina (Kirsten Barkey, einem Girlie, das gern Model wäre) und Nilgün (Jessika Maria Winkler), einem warmherzigen jungen Mädchen mit zunächst noch intakter Moral.

Die WG ist so ähnlich eingerichtet wie bei „Big Brother“ im Fernsehen: Gemeinschaftsraum, zwei Schlafzimmer, Bad und Klo. Nur die Regeln sind etwas anders: Jeden Tag bekommen die Wohnungsgenossen auf Monitoren die Einschaltquoten eingespielt, die nicht unter fünf Prozent fallen dürfen, sonst wird die Sendung abgesetzt. Außerdem werden sie gut bezahlt, sprechen häufig mit dem sie überwachenden Produzenten, und es ist es ihnen angeraten, jeden Morgen mit großer Freude eine Nuss-Nougat-Creme zu essen – deren Hersteller ist Hauptsponsor der Sendung. Ansonsten will man natürlich sein, weil das die Leute mögen.

Es kommt, wie’s kommen muss, zumindest in der Spießerphantasie vieler kritischer Kulturfreunde, deren Medienkritik in erster Linie darin zu bestehen scheint, dass sie kein Fernsehen gucken: Wenn die Quoten fallen, macht man Sex, als wenn sich auch nur irgendeiner ständig Big Brother anschauen würde, um irgendwann eine halbe Minute auf eine Bettdecke zu gucken, unter der möglicherweise gesext wird. Oder Sabrina onaniert. Ohne Liebe! Nur für die Quote! „Wir tun jetzt mal so, als ob wir leben“, sagt jemand. Der Moderator sagt: „Ihr müsst die Zuschauer süchtig machen.“ Das ist böse! Sehr kritisch auch. Später beantragt Patrick eine eigene Videokamera, die er dann so American-Psycho-mäßig benutzt. Es gibt eine einzige schöne Szene: Da beschimpft eine den anderen als „asexuelle Sau“.

Dem Regisseur schien es offenbar unter seiner Würde zu sein, die Dokusoap zu rezipieren. Interessant wäre es gewesen, zum Beispiel die Faschingsfeier bei Big Brother nachzuspielen, so nach dem Prinzip: Sowieso spielt Jona, die Alex spielt. Was weiß ich. Das Dilemma der herrschenden Medienkritik besteht darin, dass ihr Reflexionsniveau weit unter dem der kritisierten Medien liegt. Verglichen mit den Fernsehhelden wirken die Schauspieler ausgesprochen grobschlächtig und ausgedacht. Sie spielen fromme Lügen.

Später stritt ich mich mit der begeisterten Theaterkritikerin der Berliner Zeitung, die sich zur Vorbereitung eine Folge von Big Brother geguckt hatte. Wenn ich so was schon seh, krieg ich die Krätze, hätte Zlatko gesagt, wenn er so was gesehen hätte.

Die nächsten Vorstellungen am 12., 13. und 15. bis 18. April, jeweils um 20.15 Uhr, Glashaus der Arena, Eichenstraße 4

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen