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Schreckbuchjournalismus

Peru hat gewählt. Auch wenn bisher noch keine Ergebnisse vorliegen, ist eins sicher: Das Regierungslager hat Opposition und unabhängige Medien gleichermaßen drangsaliert

von INGO MALCHER

Wahlkampfabschluss in Peru:Der amtierende Präsident Alberto Fujimori ist live präsent auf allen Kanälen. Der Oppositionskandidat Alejandro Toledo nirgends. Obwohl seine Abschlusskundgebung zeitgleich mit der von Fujimori stattfindet. Aber die Opposition kommt im peruanischen Fernsehen nicht vor.

Dafür stürmte in der vergangenen Woche ein Mann die Redaktionsräume der Fujimori-kritischen Tageszeitung El Comercio in Lima. In seinem Gefolge zog ein Pulk von Kamerateams mit. Denn der Mann ist nicht irgendwer: Absalón Vásquez steht auf Platz eins von Fujimoris Wahlliste „Peru 2000“. Und an diesem Tag hatte ihn die sonst eher zurückhaltende Zeitung beschuldigt, der Drahtzieher für die Fälschung von einer Million Unterschriften zu sein, die Peru 2000 für seine Zulassung für die Präsidentenwahlen am kommenden Sonntag benötigt.

Ausgerechnet El Comercio, die biederste und seriöseste unter den wenigen unabhängigen Zeitungen Perus, nimmt es direkt mit der Regierung auf. Hätte dieselbe Geschichte in den linken Gazetten wie La República oder Liberación gestanden, hätte sie Fujimori mit dem Verweis auf kommunistische Revolverblätter vom Tisch gewischt. So war die Enthüllung immerhin eine peinliche Schlappe für das Präsidentenlager, auch wenn sie wohl folgenlos bleiben wird. Denn mit der Ausnahme dieser drei Zeitungen hat die Regierung die Medien im Land fest in der Hand.

Spätestens seit 1997 wurde im Präsidentenpalast daran gearbeitet, hier nichts mehr dem Zufall zu überlassen. Seither ist das Klima noch rauher geworden. Mindestens 100 Drohungen gegen Journalisten gab es bereits in diesem Jahr.

Bei Laura Bossi dürften dagegen noch keine Drohanrufe oder Briefe eingegangen sein: Vergangene Woche präsentierte die TV-Talkerin eine vermeintliche uneheliche Tochter des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Alejandro Toledo. „Wenn er sich nicht um seine Tochter kümmert, wie wird er sich dann um das Land kümmern“, machte Bossi Stimmung gegen Toledo.

Nur drei Fernsehkanäle weiter nennt eine Nachrichtensprecherin Toledo gleich einen Lügner: Der Kandidat der Opposition kommt im Fernsehen nur vor, wenn irgendwer wieder eine Geschichte über ihn ausgegraben hat. Erst am Mittwoch lief in den Nachrichten des Kanals „Frecuencia Latina“ ein Beitrag, in dem behauptet wurde, Toledo sei in Wirklichkeit gar nicht mit seiner Ehefrau verheiratet. Und bis kurz vor der Wahl weigerten sich einige Sender sogar, die Werbespots der Opposition zu zeigen.

„Die Kontrolle des Fernsehens war erklärtes Ziel der Regierung zur Vorbereitung der Wiederwahl von Fujimori“, sagt Jorge Salazar, Direktor des Instituts Presse und Gesellschaft in Lima.

Und das war sogar ziemlich einfach. Denn im vergangenen Jahr wurde die Regierung flugs zum größten Werbekunden der TV-Anstalten. Umgerechnet flossen über 65 Millionen Dollar aus dem Staatshaushalt in die Sender – mehr Geld als von jeder Brauerei oder Shampoofabrik. Das Geld kam den TV-Anstalten gelegen, schließlich standen viele von ihnen kurz vor der Pleite. Nach den Wahlen, sagt Salazar, werde die Regierung natürlich den Geldhahn zudrehen – spätestens dann dürften einige Sender endgültig schließen müssen. Bis dahin scheffeln deren Besitzer noch Gewinne und verkünden die Regierungspropaganda.

Die wenigen TV-Stationen, die sich nicht kaufen ließen, werden in undurchsichtigen Verfahren vor Gericht abgestraft und praktisch enteignet: Baruch Ivcher, der ehemalige Besitzer des jetzt auf Regierungslinie gebrachten „Frecuencia Latina“ ist das prominenteste Beispiel dieser Politik.

Wie beim Fernsehen betreibt die Regierung auch bei den Boulevardzeitungen Scheckbuchjournalismus mit umgekehrtem Vorzeichen: Bis zu 3.000 Dollar kassieren die Blätter für einen regierungsfreundlichen Aufmacher auf der Titelseite. Ehemalige Redaktuere des Blattes El Chato berichten, dass die Überschriften der ersten Seite nachmittags regelmäßig per Fax vom Geheimdienst in die Redaktion geschickt wurden. Aufgabe der Redakteure war es dann nur noch, die passende Geschichte dazu zu erfinden.

Mit Diffamierung allein ist es nicht getan. Die Regierung geht auch ganz offen gegen ihre publizistischen Kritiker vor. Und ihr Lieblingsfeind heißt Cesar Hildebrand: Mit seinen investigativen Magazinen ging er gleich für mehrere Fernsehsender auf Skandaljagd im Regierungslager, bis er schließlich nirgendwo mehr unterkam: Seine Sendung auf Radio 1160 wurde genau einmal ausgestrahlt. Danach beschlagnahmte die Polizei die Studioeinrichtung, wegen angeblicher Finanzprobleme des Senders. Daraufhin wurde ein neues Studio gemietet, doch noch vor dem Start der zweiten Sendung war die Polizei wieder da und beschlagnahmte die Studiotechnik.

Seit kurzem hat Hildebrand jetzt eine eigene Tageszeitung: Liberación. Aber schon wieder steht der Gerichtsvollzieher vor der Tür. Diesmal, weil der Vermieter der Druckereiräume Schulden hat. Zwar gehören weder Immobilie noch die Rotation der Zeitung, trotzdem sollen die Maschinen gepfändet werden. Das würde das Aus für Liberación bedeuten. Keine andere Druckerei ist bereit, das Blatt zu drucken.

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