Feudale Arbeitszeiten im Polizeigewahrsam

■ Personaleinsatz durch die Innenbehörde: Privatfirma schickt Dienstleister zur 60-Stunden-Woche in den Polizeigewahrsam / Personalrat spricht von „Skandal“

Der Polizeigewahrsam (PGW), zu dem auch die Abschiebehaft zählt, hat einen neuen Skandal. Dieses Mal erschüttert er auch Gewerkschafter und den Personalrat: Seit Ende vergangenen Jahres reißt im Hoheitsgebiet des Innensenators eine private Einsatzkraft im Auftrag der „Deutschen R+S Dienstleistungen GmbH“ einen wahren Stunden-Marathon ab.

60 Stunden, an sieben Tagen pro Woche, ist der R+S-Mann vor Ort, um seiner internationalen Klientel Bettwäsche und Handtücher auszuhändigen, Zellen und Trakt zu reinigen und das Essen zu verteilen. „Der Mann ist ausgelastet“, sagen Polizei-Bedienstete mitfühlend. Seine Leistung werde gebraucht. „Ein unhaltbarer Zustand“, befindet unterdessen der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Dieter Oehlschläger, auf taz-Anfrage. Überrascht und ablehnend nimmt auch der Personalrat der Polizei „zur Lage vor Ort“ Stellung.

„Eigentlich hätten wir einbezogen werden müssen, wenn es sich um eine Ausschreibung von Tätigkeiten im öffentlichen Außenbereich handelt“, sagt Manfred Offermann, Personalratsvorsitzender des Polizeipräsidiums. Dies sei nicht geschehen. „Vielleicht wegen des aktuellen Umbaus der Personalratsstrukturen bei der Polizei“, mutmaßt er entschuldigend. Auch sei der Polizeigewahrsam ja erst Ende vergangenen Jahres in die Vahr umgezogen und direkt ans neue Polizeipräsidium angegliedert worden. Dadurch sei offenbar erst der Bedarf nach einer zusätzlichen Arbeitskraft entstanden.

Tatsächlich haben im Abschiebegewahrsam bislang Häftlinge aus dem Oslebshauser Justizvollzug geputzt und Essen verteilt. Das war schon vor Jahren so, als der Polizeigewahrsam noch in der alten Ostertorwache angesiedelt war, und setzte sich für die mehrjährige „Übergangszeit“ fort, während der der PGW in Oslebshausen war. Doch diese – wie alle Beteiligten sagen – „nicht immer reibungslose Kooperation“ beendete die Leiterin der JVA Oslebshausen, Ines Kalisch, letztes Jahr. „Aus grundsätzlichen Überlegungen“, wie sie sagt.

Daraufhin handelte die Innenbehörde – ohne den Personalrat. „Allerdings hätten wir auch nur über das angeforderte Leistungspaket mitgeredet“, so der Personalrat. „Nicht darüber, wie viele Personen diese Leistung erbringen.“ Angesichts der jetzt bekannt gewordenen Arbeitsbelastung für eine Person sehe man Klärungsbedarf. „Aber Fragen muss wohl zuerst die Fremdfirma beantworten.“ Doch dürfe die öffentliche Hand in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit solche Arbeitsverhältnisse keinesfalls fördern. Man werde das „im Innenverhältnis diskutieren“, kündigte Offermann an.

Dieter Oehlschläger, Vorsitzender der GdP, nennt die Situation unterdessen „einen Skandal“. Die Arbeitszeiten des privaten Dienstleis- ters sprengten sämtliche moralischen, möglicherweise auch arbeitszeitrechtlichen Grundsätze. „Mindestens Ruhetage müssen eingehalten werden.“ Doch danach sieht es nicht aus: An sechs Tagen pro Woche tritt die private Einsatzkraft ihren Dienst morgens um sieben Uhr an und verlässt den Abschiebegewahrsam abends um 18 Uhr; rechnerisch sind zwei Stunden tägliche Mittagspause enthalten. Sonntags beträgt die Arbeitszeit sechs Stunden. „Das ist unzumutbar, unsozial und inakzeptabel“, sagt Oehlschläger. Nicht auszudenken, was im Falle von Krankheit geschehe. Er werde sich an den Innensenator wenden. Zumal dieser den „hoch belasteten Polizisten“ im Gewahrsam schon wieder die Arbeit des Taschengeld-Auszahlens für die Gefangenen aufgebürdet habe. „So ist keine Aufgabe der Polizei, sondern der Sozialbehörde“, wettert Oehlschläger.

Von der „Deutschen R+S Dienstleistungen“, die sich auf ihrer Internet-Seite als „Dienstleistung“ präsentiert, war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. ede