: Justiz im Bingo-Fieber
Die Staatsanwaltschaft interessiert sich für das Kiez-Bingo im SO 36. Ermittlungen wegen Verdachts der unerlaubten Veranstaltung einer Lotterie
Bingo, muss sich die Staatsanwaltschaft gedacht haben, als sie von dem Kiez-Bingo in Kreuzberg erfuhr und davon, dass keine Genehmigung vorlag. Prompt flatterte dem Vorstand des gemeinnützigen Vereins „SO 36“, der seit über einem Jahr jeden zweiten Dienstag im Monat das Kiez-Bingo veranstaltet, ein Brief ins Haus. Der Vorwurf: „Verdacht der unerlaubten Veranstaltung einer Lotterie oder einer Ausspielung“.
Aus diesem Anlass lädt das „SO 36“ heute erneut zum Kiez-Bingo mit Betonmischer und Cheerleader. Eingeladen sind wie immer alle Kreuzberger – „Male to Female, Straight & Homo, Doberdykes & Pudelfreunde, Gestresste Workaholics & Sozialschmarotzer“. Ab 19 Uhr soll „über die Blüten der deutschen Bürokratie“ informiert werden. Außerdem gibt es „eine unterhaltsame und spannende Show“. Zudem sollen diejenigen, die es bisher nicht kapiert haben, aufgeklärt werden, dass das Kreuzberger Bingo kein Glücksspiel, sondern eine Unterhaltungsshow ist, deren Erlös gemeinnützigen Projekten zukommt. Auch die Gewinne, die von Kreuzberger Läden kommen, sind typisch Kreuzberg: Mal ist es ein Buch über Anarchie, mal eine Pizza, ein Zungenpiercing oder ein Glas Biohaselnusscreme. Der Erlös eines Abends, im Schnitt etwa 2.000 Mark, kommt einem gemeinnützigen Projekt zugute.
Eine Sprecherin des Vorstandes sagte gestern, dass man sich beim Landeseinwohneramt um eine Genehmigung bemüht habe. „Die sagten uns aber, Bingo sei in Berlin verboten.“ Beim zuständigen „Referat für verschiedene Ordnungsaufgaben“ war hingegen gestern zu erfahren, dass für eine Genehmigung lediglich „verschiedene Auflagen“ erforderlich seien. Dazu gehören geringe Kosten der Veranstaltung, Gemeinnützigkeit des Vereins, die Verwendung des Gewinns für gemeinnützige Zwecke und die Überwachung durch einen Notar. Alles Bingo?
B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA
Heute Abend 19 Uhr, Kiez-Bingo im SO 36, Oranienstraße 190
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
