: Grüße vom offenen Kanal
Auch im Internet drohen nun Logen statt Stehplätze: Der wertkonservative DFB will sein bestes Produkt endlich ins neue Jahrtausend führen und geht mit der Fußball-Bundesliga ins Netz
aus dem Netz OLIVER CAMP
Modern zu sein, ist dem deutschen Fußball schon lange nicht mehr vorgeworfen worden. Auch die Entwicklung in den neuen elektronischen Medien Internet drohte der DFB zu verschlafen, aber mit Beginn der Bundesliga-Rückrunde hat man nun endlich ein großspurig angekündigtes Pilotprojekt im Internet gestartet. Unter www.bundesliga.de werden seitdem alle Spiele der 1. und 2. Bundesliga als Hörfunkreportage angeboten, mit viel value-added content, soll heißen Zusatznutzen wie Ereignis-Ticker, Statistiken und Standbildern.
Doch auch das DFB-Angebot hat mit schlechten Grundvoraussetzungen zu kämpfen: Eine Ausstrahlung von bewegten Bildern kollidiert mit den TV-Vermarktungsinteressen, und die Rechtslage bei Rundfunkübertragungen ist unklar. So entpuppt sich, was in Pressemitteilungen als interaktives Angebot gepriesen wird, mehrere Wochen nach dem Start als wenig ausgereift. Bereits die Schreibfehler und veraltete Angaben (Willi Reimann als Trainer des FC St. Pauli) sind kein Indiz für sorgfältiges Arbeiten. Manches der angebotenen Standfotos scheint von einem unerfahrenen Achtjährigen mit dem Digitalfotoapparat geknipst. Die Ernsthaftigkeit des Projekts wird indes vollkommen fraglich, wenn in der Halbzeitpause einer Spielpaarung erst minutenlanges Schweigen und dann Privatunterhaltungen des Reporters gesendet werden. Die ab Dienstag jeder Woche in der Rubrik „Magazin“ angebotene Videoshow erinnert an Hobby-Journalismus, wie er sonst in den Offenen Kanälen präsentiert wird. Die simultan auftauchenden Informationen sind zwar technisch liebevoll eingebastelt, werten das kümmerliche Gesamtprojekt jedoch kaum auf.
Verantwortlich für das Angebot ist die Berliner Altus AG. Mit halb legalen Hörfunkübertragungen des Zweitligisten TeBe Berlin und durch die Uefa vertraglich abgesicherte Beiträge der Champions-League-Auftritte von Hertha BSC wurde dem DFB seit Sommer 1999 die Zusammenarbeit quasi aufgedrängt. „Vor allem im Ausland sehen wir das größte Potenzial“, erläutert der Projektleiter Olaf Schulz-Forberg, „denn außerhalb Deutschlands bestehen kaum Möglichkeiten, Live-Eindrücke von der Bundesliga zu bekommen.“ Derzeit bietet man auch englisch kommentierte Übertragungen der beiden Top-Spiele. In Kooperation mit den TV-Vermarktern steht ab Montagmorgen zu jedem Bundesligaspiel eine einminütige Zusammenfassung der Highlights als Real-Video-Datei zur Verfügung. Nach Angaben der Altus AG nutzen zur Zeit circa 250.000 Menschen pro Wochenende das Informationsangebot, und 30.000 verfolgen die Hörfunkübertragungen. Aber insgesamt krabbelt der DFB mit diesem Angebot mühsam hinterher: Nicht nur die amerikanischen Profiligen unterhalten inhaltlich zwar harmlose, aber technisch und optisch beeindruckende Websites.
Auch dieseits des Atlantik werden die Möglichkeiten des Internet verstanden und eingesetzt: Die Uefa bietet unter www.uefa.com eine schnörkelreiche Site mit Höhepunkten aller Champions-League-Spiele, Grafiken und hochwertigen Fotos. Der Sportrechtevermarkter UFA-Sports testet derweil in Kooperation mit www.videosport.com nahezu unbemerkt eine Vermarktung auf Pay-per-View-Basis: Für 3,49 Dollar kann ein englisch kommentierter Live-Video-Stream empfangen werden.
Nach dem Ende des Pilotprojekts im Sommer wird der DFB entscheiden, welche Zukunft die Bundesliga im Netz hat. Neben der jetzt agierenden Altus AG aus Berlin buhlen auch andere Dienstleister wie Midat aus Dortmund, die den BVB im Netz präsentieren, und Sportal, die bislang den FC Bayern ins Netz stellen, um den lukrativen Auftrag. Sicher ist: Hofberichterstattung heißt bei den Vereinen, Verbänden und Vermarktern jetzt „Qualität der Darstellung“ und ist oberstes Gebot. Fußball goes Dienstleistungsgesellschaft mit Business-Logen statt Stehplätzen.
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