: Weniger Drogentote in Hamburg
Fixerstubenkonzept und Methadon-Programm der Hansestadt erfolgreich. Wissenschaftler fordert aber Kontrolle des Schwarzmarkts ■ Von Elke Spanner
Hamburg durchbricht den Bundestrend: Während es bundesweit im vorigen Jahr so viele Drogentote gab wie seit 1993 nicht mehr, sind in der Hansestadt weniger Menschen infolge Rauschmittelkonsums gestorben: 115 Todesfälle, so gestern der Leiter des Rechtsmedizinischen Institutes am UKE, Klaus Püschel, wurden im vorigen Jahr registriert – und damit der niedrigste Stand innerhalb des vergangenen Jahrzehntes erreicht.
Der Sprecher der Gesundheitsbehörde, Stefan Marks, sieht folglich die Drogenpolitik der Stadt bestätigt. Insbesondere durch die sieben Fixerstuben und die Substitution von Junkies mit dem Ersatzstoff Methadon sei die Zahl derer gesunken, die durch Vergiftungen oder Drogen-Folgeerkrankungen wie etwa AIDS oder Hepatitis gestorben sind. Auch Püschel bezeichnete die Erfahrungen mit Fixerstuben und Methadonprogramm als erfolgreich. Er sprach sich jedoch für eine starke Kontrolle der Junkies aus, die mit dem Ersatzstoff substituiert werden. Denn in über der Hälfte aller Fälle, in denen jemand durch eine Drogen-Vergiftung gestorben ist, habe er Methadon im Körper gefunden.
Bereits im vorigen Jahr hatte Püschel festgestellt, dass mehr Junkies an unsachgemäßem Konsum des Ersatzstoffes als durch Heroin gestorben waren. Überwiegend handele es sich aber um KonsumentInnen, die sich nicht im regulären Methadon-Programm befanden, sondern die Droge auf dem Schwarzmarkt bezogen haben. Deshalb müsse, so Püschel damals, die ärztliche Vergabe strenger kontrolliert werden. Insbesondere mahnte er eine Überprüfung der „take-home-Vergabe“ an: Wer sechs Monate im Programm ist und parallel keine anderen Drogen konsumiert, braucht den Stoff nicht direkt in der Arztpraxis zu trinken, sondern kann einen Wochenvorrat mit nach Hause nehmen.
Marks betonte gestern jedoch, dass das Amt daran festhalten wolle: Für die KonsumentInnen sei es ein Therapie-Erfolg, wenn sie nicht täglich eine Arztpraxis aufsuchen müßten. Denn wer einer geregelten Arbeit nachgeht oder kleine Kinder hat, habe dazu schlicht keine Zeit. Dass ein Schwarzmarkt entstehen konnte, deutet auf Junkies hin, die kein Methadon verschrieben bekommen und sich deshalb selbst substituieren. Der Bedarf scheint ungesättigt hoch, obwohl sich laut Marks mittlerweile 4500 Menschen und damit rund 800 mehr als noch vor einem Jahr im Methadon-Programm befinden.
Angestiegen ist auch die Zahl der Plätze für die psychosoziale Betreuung von Methadon-Substituierten. Hier hat Sozialsenatorin Karin Roth (SPD) ungeplant das Hilfesystem erweitert, das sie eindämmen wollte: Im Sommer entzog sie dem Verein „Palette“ die Trägerschaft über eine Einrichtung für 200 KlientInnen und genehmigte dem neuen Betreiber „Jugend hilft Jugend“ nur noch 150 Plätze. Die stellt er heute bei einem „Tag der offenen Tür“ vor. Dennoch vereinbarte die Behörde mit Palette, dass diese in anderen Einrichtungen 490 KlientInnen betreuen kann – genau so viel wie zuvor. Warum eine Einrichtung geschlossen wurde, blieb bis heute ein Geheimnis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen