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David kämpft stramm gegen Goliath

■ High-Tech verdrängt die Laubenpiper und derweil liegen sich SPD und CDU im Streit um Bremens Kleingärten in den Haaren

Freundlich grinsen Gartenzwerge die SpaziergängerInnen an. Doch der Schein in Schwachhausen trügt. Über dem Idyll der rund 1.000 Kleingärten ziehen graue Wolken auf. Unlängst hat der Senat beschlossen, dass der Technologiepark nicht im Hollerland, sondern südlich der Universität in Richtung Schwachhausen wachsen soll. Die KleingärtnerInnen der Vereine „Gute Ernte“, „Harmonie“, „Kornblume“ und „Schwachhausen“ sind erbost, dass ihre Pazellen weg sollen. „Tiere sind manchmal wichtiger als Menschen“, ärgert sich zum Beispiel Alwine Tietje. „Im Hollerland könnten sie auch was machen. Die Tiere siedeln sich ja auch wieder woanders an“, meint die 72-Jährige, die hier seit 37 Jahren einen Garten bestellt.

Dafür, dass der Technologiepark ins Hollerland erweitert wird, sprechen sich aber weiterhin auch die Politiker der CDU aus. In der vergangenen Woche schrieb CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff einen offenen Brief an den Landesverband der Gartenfreunde (die taz berichtete). Seitdem schieben sich CDU und SPD in Ping-Pong-Manier gegenseitig den schwarzen Peter zu und buhlen um die Gunst der KleingärtnerInnen. Doch bei denen haben die Fraktionspartner bereits an Glaubwürdigkeit eingebüßt. „Politikern kann man überhaupt nicht trauen. Sie stehen nicht zu ihrer Meinung“, meint Parzellenbesitzer Werner Ronsör. Noch im letzten Jahr haben beide Vorsitzende „in unterschiedlichen Ausdrucksweisen ein Nichtantasten der Kleingärten in Schwachhausen zugesichert“, erläutert auch Hans-Ulrich Helms, Vorsitzender des Landesverbandes der Gartenfreunde. Nun gelte es, die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der Politik einzufordern – erst im Dialog, notfalls auch vor Gericht.

„Wir machen trotzdem weiter. So lange wie möglich wollen wir den Garten nutzen“, ist sich Jürgen Husmann sicher. Und Alwine Tietje würde sogar auf die Straße gehen, um ihre Laube zu retten: „Ich hänge sehr dran und bleibe bis zum Letzten hier.“ Auch die 71-jährige Hanne-Marie Janz „holt hier keiner weg. Ich wohne schon seit 50 Jahren fest im Birkenweg. Wenn so viel Mühe und Arbeit in der Pazelle drin steckt, kann man sie schlecht im Stich lassen.“

Aber nicht nur ein liebevoll beackertes Fleckchen Grün würde durch den Bau des Technologieparks verschwinden. Schluss wäre auch mit vielen Freundschaften, die über den Gartenzaun hinweg entstanden sind. Die „gehen kaputt“, weiß Werner Ronsör aus eigener Erfahrung. Noch vor einem Jahr gehörte dem Rentner ein Stück Grün vom Verein „Gute Ernte“ im Heinrich-Kaemena-Weg. Von dort ertönen jetzt die ersten Baggergeräusche. Denn auf dem Gelände zwischen Achterstraße, Bahnstrecke und Lindenweg liegt der erste Bauabschnitt der Technologiepark-Erweiterung.

Bereits 1998 bekamen die Laubenpiper die Kündigung, im Dezember vergangenen Jahres wurden die Gärten geräumt. Über 170 Pazellen und eine Wiese, die für weitere 80 Gärten vorgesehen war, mussten weichen. „Zwar haben wir eine gute Entschädigung bekommen“, meint Werner Ronsör – um die 20.000 Mark pro Zelle je nach Haussubstanz. „Aber ein bisschen Wehmut ist schon dabei. Auch weil viele weg sind.“ Einige KleingärtnerInnen haben das Haken und Jäten aufgegeben. Nur wenige haben sich einen Ersatz gesucht wie Werner Ronsör. Klar habe man sich gewehrt, meint Elisabeth Oldenburg, Vereinsvorsitzende von „Gute Ernte“. „Aber man weiß ja, wer am längeren Arm sitzt.“

Das war den Politikern und Wirtschaftsleuten wohl nicht genug. Obwohl die Gartenfreunde mit dem Verzicht der Gärten vom Verein „Gute Ernte“ „den Interessen Bremens für weitere Arbeitsplätze und Sicherung der Wirtschaftskraft entgegengekommen“ seien, meint Helms. „Das heißt jedoch nicht, dass wir grundsätzlich jede Kleingartenfläche für Planungsansprüche hergeben!“ Doch dass noch weitere Gärten platt gemacht werden, ist wohl nur noch eine Frage der Zeit – trotz politischer Uneinigkeit über den Senatsbeschluss. Was sich in Zukunft auf der Fläche zwischen Achterstrasse, H.-H.-Meier-Allee, Kulenkampfallee und Parkallee tut, steht noch in den Sternen. Die Köpfe der Stadtplaner rauchen schon. „Aber es gibt dazu so viele Meinungen wie es Stadtplaner gibt“, meint Bernhard Lieber vom Planungsamt. Bis die Politiker eine Entscheidung treffen, wird vorerst weiter gesät. Tina Bauer

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