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Langs Wandlungen

Der Kultureuropäer Jack Lang war enthusiastischer Kandidat für die Stadt Paris. Bis die Regierung rief. Da kam er – als Erziehungsminister

aus Paris DOROTHEA HAHN

Bis zum späten Vormittag des letzten Montags im März war Jack Lang mit Leib und Seele Bürgermeisterkandidat in Paris. „Ich kämpfe, um zu gewinnen“, sagte er im Radio. Da war es elf Uhr. Dann kam für Lang der rettende Ruf in die Regierung. Nach dem Mittagessen gab Jack Lang sein Antrittsinterview – als Erziehungsminister: „Unter diesen Umständen ziehe ich mich aus Paris zurück.“

Lang hinterließ mittleres Chaos bei den Pariser Sozialisten. Seine Unterstützer, die sich wegen der Kandidatur des Mitterrandisten mit alten politischen Freunden überworfen hatten, waren wie vor den Kopf gestoßen. In der Parteigruppe im 10. Pariser Arrondissement war sogar öffentlicher Krieg zwischen den Unterstützern Langs und den Anhängern des anderen sozialistischen Kandidaten ausgebrochen. Es kam zu Handgemengen.

Für Jack Lang, der Paris bis zum späten Vormittag seine „größte Herausforderung“ nannte, war das Kapitel Paris schnell erledigt. Er stürzte sich in das nächste Psychodrama: die „nationalen Erziehung“, wo sich sein Amtsvorgänger Claude Allègre und mehrere hunderttausend Lehrer seit Wochen bekriegten.

Im Erziehungsministerium ist Lang kein Unbekannter. Er war dort schon einmal – von 1992 bis 1993 – eingesetzt, um vermintes Terrain zu entschärfen. Sein damaliger Amtsvorgänger hieß Lionel Jospin und hatte eine Universitätsreform versucht, die an Studentenprotesten gescheitert war. Lang zog das Projekt zurück und ließ es komplett überarbeiten. Sein bis zur Unkenntlichkeit moderierter Kompromiss passierte Monate später problemlos die Nationalversammlung.

Diese Methode wiederholt Lang jetzt. Dieses Mal entschärfte er eine Reform der Berufsschulen, mit der sein Vorgänger einen beinahe zweimonatigen Streik provoziert hatte. Ein Scheck über mehrere hundert Millionen Franc für zusätzliche Schulmittel im nächsten Jahr sowie die Zusage für 5.000 neue Posten taten den Rest. Die Proteste fransten aus. Die Lehrergewerkschaften zeigten freundliches Interesse. Bereits am 4. April erklärte Lang mit nonchalantem Lächeln vor der Nationalversammlung: „Ich habe das Vergnügen, Ihnen mitzuteilen, dass die Krise in den Berufsschulen behoben ist.“

Der Kaviar-Linke als Bildungsreformer

Damit war die Rückkehr des 60jährigen Lang in die hohen Sphären der französischen Politik besiegelt. Ein Jahr vor den Kommunalwahlen und zwei Jahre vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wird der einstige Kulturminister, den eine neue Generation von Sozialisten zwischenzeitlich in die Ecke der „Kaviar-Linken“ verdammt hatte, wieder gebraucht.

Untätig war Lang auch in den Jahren seit der desaströsen Wahlniederlage der Sozialisten von 1993 und seit dem neuerlichen sozialistischen Emporkommen im Sommer 1997 nicht, bei dem er sorgfältig von der Regierung fern gehalten wurde. Von dem Provinzstädtchen Blois aus, dessen Bürgermeister er seit den 80er-Jahren ist, erinnerte er regelmäßig daran, wie vielseitig verwendbar er ist. Er kritisierte internationale Fusionen wegen der Arbeitsplatzvernichtung; er paradierte bei der Pariser Techno-Parade in vorderster Linie; er präsidierte eine Jury beim Filmfestival in Berlin; er demonstrierte gegen die rechtsextreme Regierungsbeteiligung in Wien, und er besuchte Todeskandidaten in Hinrichtungszellen in den USA.

Doch seine Aura in Frankreich blieb auf seine einflussreichen Freundeskreise in der PS, in den Medien und bei Künstlern beschränkt.

Während Langs Name im Ausland alljährlich anlässlich der Fête de la Musique positiv in Erinnerung gerufen wird, verbinden die Franzosen mit ihm vor allem die elitäre und verschwenderische Kulturpolitik der Mitterrand-Jahre: die in den 80er und 90er Jahren errichteten Prunkbauten, vom Arche de la Défense über die neue Oper an der Bastille bis hin zu der „Très Grande Bibliothèque“, die das Budget der Stadt auf Jahrzehnte hinaus belasten und heute bereits reparaturbedürftig sind. Und sie erinnern sich, dass es der sozialistische Kulturminister Lang war, der die eintrittsfreien Sonntage in den französischen Museen abgeschafft hat.

Wenn heute dennoch 55 Prozent der Franzosen glauben, Lang werde seinen Job besser machen, als sein Vorgänger, wie es vergangene Woche die Illustrierte Paris-Match berichtete, hat das vor allem einen Grund: Schlechter als Allègre, der es schaffte die „nationale Erziehung“ komplett zu blockieren, kann er gar nicht sein. Schon gar nicht in diesen Vorwahlkampfzeiten

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