: Der Druck der Straße hat Erfolg
Nach einer Woche der Auseinandersetzungen, bei denen acht Menschen ums Leben kamen, hat Boliviens Regierung die Erhöhungen der Wasserpreise in der Stadt Cochabamba zurückgenommen. Der Ausnahmezustand aber soll bleiben
von BERND PICKERT
Die Demonstranten sind abgezogen. Eine Woche nach Beginn der Proteste gegen Gebührenerhöhungen für Trinkwasser in der drittgrößten bolivianischen Stadt Cochabamba hat die Regierung eingelenkt und die Erhöhung zurückgenommen. Damit ist auch ein Projekt zum Ausbau der städtischen Wasserversorgung, das in Zusammenarbeit mit einem internationalen Konsortium durchgeführt werden sollte, hinfällig geworden. Unter dem Jubel der Demonstranten erklärte das Konsortium „Aguas del Tunari“, sich aus dem Projekt zurückzuziehen.
Die Proteste hatten sich von Cochabamba aus in den vergangenen Tagen auf das ganze Land ausgedehnt. In Potosí demonstrierten die Studenten unter dem Motto „Tod der Regierung“, in La Paz gingen gerade jene Polizeikräfte gegen studentische Proteste vor, die selbst noch in der vergangenen Woche im Streik für bessere Gehälter waren – und dabei Unterstützung der Studenten erfahren hatten.
In Santa Cruz demonstrierten 300 Lehrer gegen den Ausnahmezustand und für die Auszahlung ihrer Gehälter. In Sucre gingen die Journalistenorganisationen auf die Straße, um gegen die Schließung etlicher Radiosender zu protestieren, die von der Regierung als „aufrührerisch“ geschlossen worden waren. Rund 3.000 Fahrzeuge sitzen noch auf blockierten Landstraßen fest, die Ladungen hunderter Lkws sind verdorben. Der Schaden wird auf rund 50 Millionen Dollar geschätzt. Für heute hat die Dachgewerkschaft COB zu einem landesweiten Generalstreik gegen den Ausnahmezustand aufgerufen.
Die Regierung, so die Kommentatoren einiger kritischer Tageszeitungen, habe sich die Eskalation in Cochabamba selbst zuzuschreiben. Schon am 4. und 5. Februar hatte es dort große Demonstrationen gegen die Wasserpläne gegeben. Statt einer Antwort schickte die Regierung die Polizei – nach zwei Tagen der Ausschreitungen wurde ein „Abkommen für Cochabamba“ unterschrieben, das die Regierung allerdings ignorierte. So wurde die nächste Runde der Proteste, ausgeweitet auf Straßenblockaden und landesweite Aktionen, auf den 4. April festgelegt.
Der greise Präsident und ehemalige Diktator Hugo Banzer versteht unterdessen die Welt nicht mehr. Nicht nur, dass es nicht einmal mehr ausreicht, das Militär auf die Straße zu schicken und den Ausnahmezustand auszurufen. Nein, er braucht auch eine Erklärung, gegen wen er beziehungsweise wer da gegen ihn Front macht. Früher hätte er „die Kommunisten“ als Drahtzieher verantwortlich gemacht – heute beschuldigt er nicht weiter definierte „Aufrührer“, seine Regierung destabilisieren zu wollen. Unordnung und ziviler Ungehorsam hätten sich ganz offen in Rebellion gegen die Staatsmacht verwandelt. Und Banzers Kettenhund und Informationsminister Ronald MacLean ergänzt, nur durch den Ausnahmezustand habe ein „Staatsstreich“ abgewendet werden können. Im übrigen sei der Aufstand durch den Drogenhandel finanziert. Der Ausnahmezustand, erklärte Banzer, bleibe neunzig Tage in Kraft.
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