Der Staat packt zu

Hohe Haftstrafen wegen Mordversuchs im Eggesin-Prozess. Der Generalbundesanwalt hat ein Exempel an der rechten Szene statuiert

BERLIN taz ■ Im Eggesin-Prozess wurde gestern nach sechswöchiger Verhandlung das Urteil gefällt. Der Staatsschutzsenat des Rostocker Oberlandesgerichts verhängte gegen fünf nach dem Jugendstrafrecht angeklagte Männer wegen versuchten Mordes an zwei Vietnamesen Haftstrafen in Höhe von vier bis sechs Jahren.

Auch ein spätes und eher halbherziges Bedauern der 17 bis 20 Jahre alten Angeklagten hatte an den hohen Haftstrafen nichts mehr ändern können. Die Richter schlossen sich in ihrem Urteil der Einschätzung der Bundesanwaltschaft an, dass „langjährig aufgebauter Hass auf Ausländer“ zu der Tat geführt hätte.

Mit dem Urteilsspruch sind nicht nur die rechten Skinheads zu einer „angemessenen Strafe“ gekommen, wie ein Anklagevertreter der Bundesanwaltschaft kommentierte. Auch der oberste Staatsschützer, Generalbundesanwalt Kay Nehm, hat sein Ziel erreicht und ein Signal gesetzt. Nehm hatte das Drama in der mecklenburg-vorpommerschen Kleinstadt-Eggesin zur Chefsache erhoben und erstmals die Anklage in einem Mordprozess an sich gezogen, um allen rechten Überzeugungstätern die harte Haltung des Staats zu demonstrieren. Überfälle wie in Eggesin schafften ein allgemeines Klima der Angst und Einschüchterung und gefährdeten die innere Sicherheit der Republik, hatte er seinen Schritt begründet.

Im vergangenen August hatten die beiden 24 und 29 Jahre alten Vietnamesen zusammen mit den Einheimischen auf dem Festplatz an der Karl-Marx-Straße die „Festtage an der Randow“ gefeiert. Dass Vietnamesen mit Deutschen zusammen Bier trinken, wollte den betrunkenen Skins vom „Nationalen Widerstand Eggesin“ aber nicht schmecken.

Sie lauerten ihren beiden Opfern auf deren Heimweg auf, verfolgten sie, malträtierten sie mit Tritten und zuletzt sogar mit Sprüngen auf den Kopf. Der ältere der beiden überlebte nur knapp, die Ärzte diagnostizierten „Schädelberstungsbrüche“. Sein Freund kam mit schweren Nierenverletzungen vergleichsweise glimpflich davon.

Das Verfahren sei „äußerst schwierig“ gewesen, berichtete gestern der Senatsvorsitzende Rainer Dally. Zwei der Täter stritten ihre Beteiligung an dem Überfall ab und seien nur schwer zu überführen gewesen. Um den Hergang aufzuklären, vernahm das Gericht an den 19 Verhandlungstagen insgesamt 51 Zeugen und Sachverständige.

Was Gemeinde, Eltern und Behörden nach Meinung des Gerichts versäumten, sollen nun die Haftstrafen leisten: Man will die Täter erziehen. Der Erfolg ist ungewiss. Noch in der Untersuchungshaft malte einer der Angeklagten aus Langeweile NS-Symbole und brennende Juden.

GUNNAR MERGNER