: Angeschlagene Bremer Fahrradmanufaktur geht nach Oldenburg
■ Oldenburger Radhersteller Rabeneick schluckt ehemaligen Vorzeigebetrieb der selbstverwalteten Fahrradszene
Der Oldenburger Fahrradhersteller Rabeneick wird die Bremer Fahrradmanufaktur übernehmen. Ein entsprechender Vorvertrag ist bereits geschlossen. Das Unternehmen, das sich seit den Achtzigerjahren mit hochwertigen Fahrrädern bundesweit einen Namen gemacht hatte, war in den vergangenen Jahren in Schwierigkeiten geraten. Mit der Auslagerung der Produktion in die ausgegründete Niedriglohnfirma Konzept-Rad konnten diese nicht bewältigt werden, so dass das Unternehmen zu Jahresbeginn an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geriet (taz berichtete).
Die Kreidler-Tochter Rabeneick griff den Bremern nun finanziell und organisatorisch unter die Arme und möchte die Manufaktur bis zum Monatsende am liebsten zu 100 Prozent übernehmen. Dann müssen die rund 20 verbliebenen Mitarbeiter zu Rabeneick nach Oldenburg (derzeit ca. 180 Mitarbeiter) wechseln. Laut Manufaktur-Geschäftsleitung sollen sie dabei ihre Verträge behalten. IG-Metall-Sekretär Rainer Lehlbach dagegen fürchtet deutlich verschlechterte Konditionen: „Rabeneick zahlt nach dem in der Metallbranche gern als Billigvariante gewählten Tarif für Groß- und Außenhandel.“ Unter anderem deswegen fürchtet der Gewerkschafter, dass nicht viele Mitarbeiter den Wechsel mitmachen. Severine Lönne, Rabeneick-Geschäftsführerin und Kreidler-Anteilseignerin, betont dagegen: „Wir brauchen diese Mitarbeiter, um die Fahrradmanufaktur als starke Marke zu erhalten.“ Die Produktpalette der Manufaktur soll laut Lönne in vollem Umfang erhalten bleiben und weiterhin von Konzept-Rad in Bremen produziert werden. Lediglich der Einkauf soll mit dem Oldenburger Werk gemeinsam abgewickelt werden. Auch die vielen Händler, die einst als selbstverwaltete Betriebe über ihren Verband VSF die Gründung der Manufaktur unterstützt hatten, sollen nicht ausgebootet werden: Nur wo „weiße Fle-cken“ im Vertriebsnetz bestünden, will Lönne neue Partner hinzugewinnen.
Hoffnung bedeutet das Rabeneick-Engagement für die Mitarbeiter, die bei der Stilllegung der eigenen Manufaktur-Produktion im vergangenen Jahr entlassen wurden: Nach der Liquiditätsspritze durch die Oldenburger können sie endlich mit der Auszahlung der im Sozialplan vereinbarten Abfindungen rechnen. Einige von ihnen sind durch die ausbleibende Zahlung in ernsthafte Bedrängnis geraten. Morgen ist die Sache vor dem Arbeitsgericht. „Manche leben von der Hand in den Mund“, sagt Betriebsrat Marcelo Gaytan. Ihm selbst wurde bereits vor Monaten gekündigt, aber er hat sich wieder eingeklagt. Die Geschäftsführung gab ihm bislang dennoch keine Arbeit und versucht, ihn an der Ausübung seines Amtes zu hindern – unter anderem durch Hausverbot.
Am 18. April soll eine Betriebsversammlung der Belegschaft Klarheit verschaffen.
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