: Polizei will kein Sielwall-Schaufenster
■ Die Polizei mag nicht in einen leer stehenden Laden am Sielwall-Eck ziehen / Grüne Idee vom polizeilichen „Kontaktladen“ wurde abgelehnt: „Mobilität ist Trumpf“, sagt der Revierleiter
Einen „Polizeiladen“ direkt an der Sielwall-Kreuzung wird es nicht geben. Wegen Personalmangels, aber auch aus taktischen Gründen lehnen die verantwortlichen Beamten vor Ort eine solche Einrichtung ab. Sie wollen weiterhin im VW-Bulli durchs Revier streifen und so die Drogenszene in Schach halten.
Die Grünen-Fraktion des Beirats Östliche Vorstadt hatte gefordert, in einem leer stehenden Ethno-Ladengeschäft eine Dienststelle für Kontaktbereichs-Polizisten einzurichten. Da noch mehrere Geschäfte in diesem Bereich schließen sollen, geht die Furcht vor einer zunehmenden „Verslumung“ um.
Einen schlechten Ausblick aber befürchtet Steintor-Polizeirevierleiter Siegfried Schmidt unter anderem, wenn seine Kontaktbereichsbeamten eine feste Adresse an der Sielwall-Kreuzung beziehen würden. „Ein Junkie hält vor dem Fenster Wache, und wir sehen gar nichts mehr“, so Schmidt. Und zu sehen gäbe es eine Menge: Insgesamt 300 Menschen – Junkies, Alkoholabhängige und Punks – hat die Polizei an der Sielwall-Kreuzung im Visier. Dreißig bis sechzig seien es täglich, sagt der Polizist gegenüber der taz.
Ihnen stehen um die drei Kontaktbereichsbeamte und BGS-Angehörige gegenüber, die im Bulli mal hier, mal dort in Erscheinung treten. In den kommenden Monaten soll die Präsenz – bevor die Grenzschützer im Sommer abziehen – noch verstärkt werden. Da ist an weitere „personalintensive“ Aktivitäten wie einen Polizeiladen offenbar nicht zu denken. Und einfach abordnen will man die „bewährten“ Kontaktbereichsbeamten nicht.
Gegen eine feste Adresse sprechen laut Schmidt aber auch noch andere Gründe. „Distanz zur Szene ist wichtig“, sagt er. An einen Laden würden sich die Abhängigen gewöhnen, während ein ganz plötzlich und überraschend auftauchendes Fahrzeug eine ganz andere Wirkung habe. Außerdem könnten die Junkies auch ungestört auf den Ziegenmarkt umziehen – was ebenfalls nicht erwünscht ist. Und auch die Vorstellung, dass bei der Kontrolle eines Szenemitglieds eine „ganze Traube“ Junkies vor dem Fenster hängt, ist dem Polizisten ein Graus. Sein Fazit lautet deshalb: Kein Polizeiladen, der zudem aufwendig ausgerüstet und gesichert werden müsste.
Ortsamtsleiter Robert Bücking findet einen feste Einrichtung der Polizei für die Bürger an dieser Stelle aber nach wie vor gut: „Ich wäre für einen Polizeiladen. Aber nur, wenn die bewegliche Polizeiarbeit weitergehen kann.“
Die Grünen jedoch haben sich von ihrer Idee verabschiedet. Schmidts Argumente seien „ganz schlüssig“ gewesen, sagte Fraktionssprecherin Ute Treptow nach der Beiratssitzung. Sie hatte den Kontaktladen ursprünglich als Anlaufstelle für die Bevölkerung im Blick gehabt. Damit hätte man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können: Vielleicht mehr Sicherheit am Sielwall und zugleich die Möglichkeit, mit einem neuen Mieter ein leer stehendes Geschäft zu reaktivieren. Jetzt fürchtet Treptow, dass das Viertel weiter herunterkommt: Sowohl eine Eisdiele, als auch ein Zeitschriftenladen an der Kreuzung würden demnächst dichtmachen.
Der PDS-Fraktion im Beirat hingegen passt die ganze Richtung nicht: Sie wendet sich in einer Antragsvorlage gegen repressive Maßnahmen und fordert weitere Hilfen für Drogenabhängige: Offene Angebote, Streetworking sowie Drogenkonsumräume. Alles nicht geeignet, um die Situation am Sielwall zu ändern, befand dazu Polizist Schmidt. Eine Drogenberaterin vertrat dazu eine ganz andere Sicht der Dinge: Früher, da habe Bremen bundesweit eine Vorreiterrolle in der Drogenpolitik gespielt. Heute nicht mehr.
hase
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen