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Kulturpolitik als Verschlusssache

Noch nie trat ein Senator für Kultur und Wissenschaft nach nur drei Wochen wieder ab. Innensenator Eckart Werthebach führte das Ressort seit dem Rücktritt Christa Thobens kommissarisch – und niemand hat es gemerkt: Versuch einer Bilanz

von RALPH BOLLMANN

Die Amtszeiten werden immer kürzer. Hatte Christa Thoben (CDU) noch mehr als drei Monate auf dem Schleudersitz der Kultursenatorin durchgehalten, gibt ihr Nachfolger Eckart Werthebach (CDU) das Amt schon nach drei Wochen wieder auf. Damit ist seit Oktober vergangenen Jahres schon der dritte hochrangige Politiker an der Reform der Berliner Kultur- und Wissenschaftslandschaft gescheitert. Von heute an versucht mit Werthebach-Nachfolger Christoph Stölzl schon der vierte Kandidat, das Kulturressort in den Griff zu bekommen.

Ähnlich wie im Innenressort zog der CDU-Politiker auch im Kulturbereich die Skandale geradezu magisch an. Unter seiner Ägide schwollen die Baukosten für die Gedenkstätte „Topographie des Terrors“ von ursprünglich 36 Millionen Mark auf mehr als 70 Millionen Mark an. Dagegen stand die Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße plötzlich ganz ohne Geld da. Mit 200.000 Mark musste der Senat kurzfristig aushelfen. Die Kulturverwaltung hatte – so Senatssprecher Michael-Andreas Butz – „vergessen“, den Posten rechtzeitig für den Haushalt anzumelden.

Wenig Fortune zeigte Werthebach auch im Verhältnis zur Bundesregierung, dem wohl delikatesten Bereich der Berliner Kulturpolitik. In der vergangenen Woche war, nach langer Vorbereitung, endlich ein Treffen der Kulturausschüsse von Landes- und Bundesparlament anberaumt. Landesvater Diepgen bot den Parlamentariern seinen Kultursenator Werthebach als Gesprächspartner an. Doch Elke Leonhard (SPD), Vorsitzende des Bundestags-Kulturausschusses, zeigte kein Interesse. Sie sagte das Treffen kurzerhand ab. Man habe „kein Interesse, mit ihm über Polizei zu diskutieren“. Wohl noch nie wurde ein Berliner Kultursenator derart rüde brüskiert.

Ansonsten hielt sich Werthebach strikt an sein Prinzip der demonstrativen Unauffälligkeit. Als das Abgeordnetenhaus wenige Tage nach Thobens Abtritt über die Berliner Kulturkrise debattierte, griff Werthebach nicht ein. Wissenschafts- und Kulturausschuss mussten sogar ganz auf die Präsenz des Senators verzichten. „Es ist keine Entschuldigung, zu sagen: Ich bin beschäftigt“, rüffelte der bündnisgrüne Abgeordnete Bernhard Weinschütz. Doch die Ausschussvorsitzende Annette Fugmann-Heesing (SPD) nahm ihren früheren Senatskollegen in Schutz. Man wollte sich „nicht den Terminkalender des Senators vorlegen lassen“. Stattdessen durfte Staatssekretär Josef Lange die Fragen der Parlamentarier beantworten.

Werthebach hätte sich ohnehin schwer getan, beim Bund um neue Kulturmillionen zu betteln. Als Staatssekretär war er von 1995 bis 1998 im Bundesinnenministerium auch für die Kulturpolitik des Bundes verantwortlich. Und damals hielt er den Geldhahn so eisern geschlossen, dass sich Nachfolger Michael Naumann (SPD) vergleichsweichsweise spendierfreudig ausnimmt.

Für die zusätzlichen Geldwünsche des Kultursenators Peter Radunski (CDU) hatte Werthebach kein offenes Ohr. Im Gegenteil: Selbst den bereits bewilligten Betrag gab der Geheimdienstexperte nur scheibchenweise frei. Er fürchtete, die klammen Berliner könnten das Geld den Kulturschaffenden sonst vorenthalten. Dennoch zeigte sich der Staatssekretär im Sommer 1997 zuversichtlich, dass die „aktuellen Aufgeregtheiten über die Verwendung der Hauptstadtkulturmittel in Kürze der Vergangenheit angehören“.

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