die stimme der kritik: Betr.: Politiker und Werbung
„ICH SAG’S IMMER ÖFTER!“
Die Fernsehwerbung für ein Milchreisprodukt mit beklopptem Namen: Ein Brillenträger rührt im Becher und raunt verschwörerisch etwas über seinen kleinen Hunger und wenn der kommt, und so weiter. Dann sagt er: „Denn manchmal braucht man eben einfach etwas Ehrliches!“ Die Kamera zieht blitzschnell auf, und wir sehen, dass der Mann im Bundestag sitzt, unschwer zu erkennen an der Stuhlreihenform, den doofen Anzügen und dem Adler.
Jetzt kommt’s: Früher gab es danach noch ein kurzes Bild, auf dem man schemenhaft ein Lookalike von Schröder sah, dazu ein gemurmeltes „blabla Steuerreform blabla“. Aber dieses Bild ist weg, ungefähr seit der Spendenaffäre der CDU. Was ist passiert?
So einiges: Das Feindbild hat gewechselt. Und wenn der Milchreiskocher die Zeichen der Zeit erkennen würde, müsste er einen schemenhaften Fleischkoloss auf Pfälzisch „blabla Spendernamen blabla“ sagen lassen. Dass er das nicht tut, kann daran liegen, dass er zu geizig für einen neuen Werbeclip ist. Oder gibt es etwa eine Verbindung zwischen einem großen deutschen Milchprodukthersteller und gewissen Geldspenden . . .? Aber ich will nichts gesagt haben. Spekulieren Sie ruhig selbst ein bisschen.
Trotzdem: Dass die CDU so gar nicht auftaucht in der landläufigen Produktwerbung! KoalitionspolitikerInnen lassen sich alle naselang mondän hingegossen oder in Schwarzweiß mit schicken Klamotten fotografieren. Aber gerade die CDU, die ja eine „Chance durch Neuanfang“ – um in Floskeln zu sprechen – wittert, und dann auch noch ein Weib an der Spitze! Die könnte man sich so prima als Werbeträgerin vorstellen, für . . . na ja, „Gutfried-Wurst ist gut für dich“ wäre vielleicht nicht unbedingt ihr glaubhaftester Slogan, aber warum nicht alkoholfreies Bier? „Ich sag jetzt nicht immer was, aber immer öfter“? Oder Frau Merkel im Gespräch mit „Peter von Frosta“? Wie schön sie ihm in seine Erbsensuppe greifen könnte, um ein kleines bisschen nachzuwürzen, mit etwas Spießigem wie Jodsalz? Apropos: Am besten wäre sie natürlich in der Trill-Werbung, so augenzwinkernd in Richtung Grüne: „Mein kleiner Freund ist lieb und bunt, ein bisschen frech, doch wohl gesund . . .“ JENNI ZYLKA
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