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Studieren für lau ist nicht unsozial

Hans-Dieter Rinkens, Präsident des Deutschen Studentenwerks, im Interview: „Rechtsanspruch auf Bafög darf nicht angetastet werden“

taz: Die Zahl der Bafög-Empfänger hat sich in den letzten fünf Jahren fast halbiert. Warum dieser dramatische Rückgang?

Hans-Dieter Rinkens: Das liegt daran, dass immer weniger Eltern in den Bereich kommen, wo ihre Kinder Anspruch auf Bafög haben. Denn die entsprechenden Freibeträge wurden nicht mit der Entwicklung der Löhne und Gehälter angehoben. Zum anderen ist das Bafög-System äußerst schwerfällig. Viele Studenten sagen sich: Wenn ich ohnehin nur 200 Mark bekomme, dann geh ich doch lieber gleich arbeiten.

Die versprochene große Bafög-Reform ist vorerst gescheitert. Der Bund will aber 500 Millionen Mark mehr ins Bafög investieren. Reicht das denn aus?

Wir haben immer gesagt, wir brauchen eine richtige Reform. Nur ist das Thema durch das Machtwort des Kanzlers derzeit vom Tisch. Wenigstens soll der Bafög-Topf durch die angekündigte Novelle angehoben werden. Aber auch da muss man wieder ein bisschen Wasser in den Wein tun: Er wird gerade mal auf den Stand von Mitte der 90er-Jahre gebracht. Die 500 Millionen vom Bund bedeuten immerhin, kalkuliert man den Länderbeitrag mit ein, über eine Milliarde Mark, die für die Studienfinanzierung zusätzlich zur Verfügung stehen.

Wann werden die Studenten etwas von der Erhöhung haben? Trotz der langen Gesetzgebungswege halten wir es nach wie vor für möglich, dass zum Sommersemester des kommenden Jahres die Studenten in den Genuss der Bafög-Erhöhung kommen können. Dafür muss allerdings das Gesetzgebungsverfahren zügig vorangetrieben werden.

Inzwischen definieren ja auch SPD-Politiker Hochschulbildung als knappes Gut und fordern die Einführung von Studiengebühren – der erste Schritt zur Privatisierung des Bildungswesens?

Ich hoffe nicht. Die gegenwärtige Diskussion ist von zwei Mythen geprägt. Der eine ist, dass kostenfreies Studieren unsozial ist, weil die Armen den Reichen die Uni-Ausbildung bezahlen. Wir meinen aber, dass das Unsinn ist; es gibt inzwischen sogar etwas wie eine latente Akademikersteuer aufgrund unseres Steuersystems. Auf der anderen Seite kann mir keiner weißmachen, dass zusätzliche Studiengebühren nicht eine abschreckende Wirkung hätten – wir haben jetzt schon den Effekt, dass aus sozial schwächeren, bildungsfernen Schichten nur acht von hundert Kindern zur Uni gehen, während es bei den Einkommensstarken 72 von 100 sind. Aus meiner Sicht ist es auch albern zu glauben – der zweite Mythos –, dass Studiengebühren die Qualität der Lehre verbessern. Das kann man allein daran sehen, dass in den USA selbst mittelmäßige Unis Gebühren von 10.000 bis 15.000 US-Dollar erheben.

Die Grünen schlagen vor, statt Bafög elternunabhängige Bildungskredite zu vergeben.

Auch hier gibt es das Problem der Abschreckung. Wenn man sagt, die zukünftige Generation müsse ihre Bildung selbst bezahlen, bürdet man den jungen Menschen eine enorme Last auf. Ich finde das ausgesprochen unfair.

Aber das Deutsche Studentenwerk macht sich doch auch für Bildungskredite stark?

Das ist die Gefahr ähnlicher Worte. Unser Standpunkt ist: Der Rechtsanspruch auf Bafög darf nicht angetastet werden. Wir können uns aber durchaus vorstellen, dass es eine ergänzende Finanzierung für Einzelfälle gibt, die keinen Bafög-Anspruch haben.

Vielen Studenten macht am Studienende die Doppelbelastung von Prüfungsvorbereitung und Jobben zu schaffen ...

Ein klassischer Fall ist: Jemand hat im Grundstudium einen Schein nicht gemacht, der ihm nun für eine Bafög-Berechtigung fehlt. Es kann also sein, dass ein einmaliges Versagen einen Rausschmiss auf Dauer bedeutet – gerade zum Ende des Studiums ist das überhaupt nicht sinnvoll. In jedem Fall ist finanzielle Hilfe besser als ein Studienabbruch kurz vor dem Examen. Genau diesen Studenten würden auch billige Bildungskredite helfen.

Viele Kultusminister favorisieren das Modell von Studienkonten. Was halten sie davon?

Ich halte die Idee von Studienkonten für den intelligentesten Vorschlag ist, der mir in letzter Zeit untergekommen ist. Dieser Gedanke greift auch einen weiteren Aspekt auf: nämlich dass junge Leute während des Studiums ganz bewusst eine Phase der Berufstätigkeit einschieben – das wäre ja mit Studienkonten möglich. Eine Gefahr ist allerdings, dass das Modell dazu missbraucht wird, Studierende unter Druck zu setzen, wenn ihr Studium – aus welchen Gründen auch immer – länger dauert. „Studiengebühren für Langzeitstudenten“ – das erinnert mich immer an die Leute, die die Einführung der Prügelstrafe in der Schule fordern, wenn es Probleme mit der Disziplin gibt. INTERVIEW: OLE SCHULZ

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