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Rock Da Mouse

Mit dem Laptop in ganz neue Soundwelten: Der erste Elektronik-Salon im SO 36

Die Matrix als virtuelle Simulation, wie man sie von William Gibson bis David Cronenberg immer wieder beschrieben und gezeigt bekommt, ist ein Kosmos, in den man direkten Zugang über ein Interface im eigenen Körper oder mit Hilfe einer Konsole bekommt.

In der Live-Performance der abstraktesten Form elektronischer Musik, im Laptop-Techno, ist die Metapher der Matrix allgegenwärtig. Das Laptop ist für den Musiker der Eingang zu ganz neuen Soundwelten. Die Möglichkeiten programmierter Software werden nicht nur abgenudelt, sie werden entdeckt. Die Software reagiert nicht nur, nein, sie lebt, gibt Impulse, produziert Fehler und immer neue Überraschungen. Der Laptop-Musiker begibt sich über das Interface seiner Mouse direkt in diese Soundmatrix, erlebt dort einen Rausch der Klänge und durchwandert eine Architektur aus Minimal-Techno, Störgeräuschen und dubbigen Hallräumen. Zurück bleibt dabei sein starrer, bewegungsloser Körper, den man nun, und das ist das Problem, das ganze Konzert über anglotzen kann.

Da holt man sich doch lieber ein Bier. Mit dem verharrt man dann in der Hoffnung, dass sich irgendwann etwas außermusikalisch Spannendes ereignet. Etwa in der Art: Kabelbrand, Rechnerabsturz, Musiker schmeißt sein Laptop gegen die Wand. Doch solche performativen Ereignisse gibt es wohl auch beim ersten so genannten „Elektronik-Salon“ im SO 36 nicht, einem Gipfeltreffen der derzeit führenden Laptop-Techno-Städte Berlin und Wien. Würde man den Abend, der von Pole, Carsten Nicolai, Zeitblom aus Berlin und von Christian Fennesz, Florian Hecker und Pita Rehberg aus Wien bestritten wird, als Symphonie betrachten, wäre jeder einzelne Set ein Satz. Nach jedem dieser Sätze darf dann brav Beifall geklatscht werden.

Aber bitte nicht dazwischen klatschen, das könnte die Kontemplation der Laptop-Musiker in ihrer Soundmatrix gefährden und ihre Entkoppelung von Körper und Geist rückgängig machen. Auch wenn im Elektronik-Salon die Crème der elektronischen Avantgarde auftritt, sein Programm „the social dimension of isolation“ klingt eher wie eine tragische Frage als ein verheißungsvolles Versprechen. Hat weggetretenes Tüfteln auf der Bühne eine soziale Komponente? Kann Musik auf den Transmitter Performance verzichten und ganz allein aus sich heraus Kommunikation herstellen? Können die obligaten Visuals aufkommende Langeweile dämpfen? Wir werden sehen.

Vielleicht fangen Laptop-Musiker ja plötzlich in einem Punk-Schuppen wie dem SO 36 das Rocken an. Immerhin spielten drei der Mouse-Clicker – Fennesz, Rehberg und Zeitblom – früher in Gitarrenbands. Nach dem Konzert sind übrigens alle hier gestellten Fragen obsolet. Danach legt Westbam auf. Es gibt Kombitickets! ANDREAS HARTMANN

Heute, ab 20 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg

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