: Pfeffer für den IWF-Kongress
Zehntausend protestieren in Washington gegen die Politik von Währungsfonds und Weltbank. Demo blockiert Finanzminister Eichel. Polizei nimmt 600 Menschen fest und setzt Pfeffergas ein
WASHINGTON taz ■ Unter heftigen Protesten und Kritik begann gestern in Washington die Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. Tausende Demonstranten verhinderten, dass Bundesfinanzminister Hans Eichel und sein französischer Amtskollege Laurent Fabius pünktlich das Konferenzgebäude betreten konnten. Der Polizei gelang es zunächst nicht, ihnen den Weg frei zu räumen.
Der laute Protest kommt aus einer Koalition aus Tausenden von Umweltschützern, kirchlichen Gruppen, Bürgerinitiativen und Gewerkschaften. Weltbank und Währungsfonds haben selbst kritische Papiere über ihre Investitionspraxis veröffentlicht. Eine Reform dieser Institutionen, die sie transparenter machen soll, steht auf der Tagesordnung.
Seit einer Woche kommen Vertreter jedes sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Anliegens nach Washington, um sich zum Protest gegen „Globalisierung“ zu vereinen. Unter diesem Stichwort werden die Ursachen und Auswirkungen so verschiedener Missstände wie Abholzung der Regenwälder, Raubbau an natürlichen Ressourcen, Kapitalexport in Billiglohnländer, Emission von Treibhausgasen, Menschenrechtsverletzungen und Überschuldung der ärmsten Länder verstanden. Die Demonstranten sind vorwiegend jung und kommen aus dem ganzen Land. Sie haben den friedlichen Protest gelobt, und doch ist es schon zu Beginn der Proteste zu ersten gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen, bei denen auch Pfeffergas gegen Demonstranten gesprüht wurde. 10.000 Menschen versammelten sich gestern Abend zu Protesten.
Die Washingtoner Polizei will unbedingt eine Wiederholung der „Battle of Seattle“ verhindern, jener überraschend heftigen Proteste bei der Welthandelskonferenz im letzten Jahr, und hat weite Teile der Innenstadt abgesperrt. Beamte nahmen allein am Samstagabend etwa 600 Demonstranten fest. 1.000 waren es im Verlaufe der vergangenen Woche gewesen, die zum Teil zwölf und mehr Stunden mit Plastikhandschellen gefesselt am Boden sitzen mussten. Die Polizei beschlagnahmte Plastikrohre und Ketten, mit deren Hilfe so gut wie undurchdringliche Menschenketten gebildet werden können, sie schloss am Samstag das Kommunikationszentrum der Koalition in einem alten Lagerhaus wegen angeblicher Feuergefahr. All jene, die der Räumungsorder nicht Folge leisten wollten, wurden festgenommen.
Die Demonstranten verfolgen auch taktisch verschiedene Ziele. Während die einen die Zugänge zum Konferenzgebäude in der Innenstadt Washingtons blockieren wollten – Sonntag früh war die Polizei vorübergehend in der Minderzahl und musste sich regruppieren – marschierten andere friedlich Richtung „Ellipse“, wie die große Parkfläche hinter dem Weißen Haus genannt wird. Dort sollte ein Fest gefeiert und eine Kundgebung veranstaltet werden. Es herrschte Karnevalsatmosphäre: In wochenlanger Arbeit hatten die Gruppen Riesenpuppen gebastelt, die das internationale Kapital und dessen globale Macht versinnbildlichen sollen. PETER TAUTFEST
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