: Feuchtes Fernsehen
Das Edelmagazin „mare“ bastelt an einer TV-Karriere. Zielgruppe sind Meeresromantiker aller Stände, doch wer ist damit eigentlich gemeint?
von VERENA DAUERER
Es war nur eine kleine Anzeige im Titelschutzanzeiger: Ein Hamburger Rechtsanwalt ließ sich da unter anderem die Namen „mare TV“, „mare Report“ und „mare Magazin“ schützen. Wollte etwa die liebevoll gemachte Nischenzeitschrift mare dem Trend auf dem Zeitschriftenmarkt folgen und die Übertragung des Hefts in ein TV-Format wagen?
Wie sollte dieses Konzept denn aussehen, wo schon die Printausgabe in keine Schublade passt? Selbst „special interest“ hilft kaum weiter: mare ist weder eindeutig Reisejournal noch Naturgazette, keine Segelzeitschrift und auch kein Wissenschaftsblatt. Und: Derzeit verkauft das Edelmagazin 32.000 Exemplare pro Ausgabe – selbst wenn alle Leser regelmäßig den TV-Ableger einschalten würden, wären das alles andere als Traumquoten.
Das alle zwei Monate erscheinende Magazin leistet sich teure Exklusivberichte und Fotoreportagen aus fernen Ländern genauso wie von Deutschlands Küsten, Buch- und CD-Kritiken finden sich, die alle irgendwie mit dem Meer zu tun haben – und dann und wann auch Kulinarisches mit direktem Draht zum nassen Element. Nicht gerade ein gemeinsamer Nenner.
Der Herausgeber, Chefredakteur und bis diesen Monat auch Interimsverlagsleiter Nikolaus Gelpke weiß genau, wer so was liest: „Das sind Meeresromantiker mit Mut zum Kontemplativen. Leute, die des klassischen Häppchenjournalismus müde sind.“ Die unnützen Info-Bröckchen der tagesaktuellen Medien könnten kaum den Horizont erweitern, wohl aber ein mare-Heft, das zeitlose Informationen und ökologische Themen ohne den moralischen Zeigefinger biete.
Immerhin eins stimmt: mare will lieber abends vor dem Kamin mit einem Glas Wein genossen werden – kontemplativ eben. Durch Umfragen wurde auch ermittelt, wer da vor dem Kamin in einer Ausgabe blättert: Wie nicht anders zu erwarten, sind es überwiegend Großstadtmenschen mit Hochschulabschluss und monatlichem Nettoeinkommen ab 6.000 Mark aufwärts. Diese Zielgruppe würde sich bestimmt auch vor den Fernseher setzen und „mare TV“ gucken, wenn es nur so schöne Themen und Bilder wie das Blatt zeigt. Nur: Ob diese illustren Kreise dann überhaupt zum Sendetermin Zeit haben? Und auf welchem Kanal soll das Magazin überhaupt laufen? In Frankreich funktioniert immerhin ein ähnliches Konzept: „Thalassa – le magazine de la mer“ läuft jeden Freitag mit ansehnlichem Erfolg beim öffentlich-rechtlichen Sender France 3.
Zum konkreten Stand der Planungen möchte Gelpke am liebsten gar nichts sagen: „Wir stehen mit einem Sender in Kontakt“, ist ihm noch knapp zu entlocken, mehr könnte die Verhandlungen mit ebendiesem Sender gefährden. Doch ein bisschen lässt er ahnen, wie das mare im Fernsehen funktionieren soll: „Es gibt im Programm zu wenig klassische Gerd-Ruge-Geschichten, Reportagen mit wirklich guten Kameraleuten. Man muss die Vorteile der laufenden Bilder nutzen.“
Das hatten einige Produktionsfirmen schon erkannt, als Gelpke vor zwei Jahren die Zeitschrift und den dazugehörigen dreiviertel-Verlag gründete: Damals hatten sie ihn regelrecht belagert und mit Vorschlägen für ein auf mare basierendes TV-Format überschüttet. Und das, obwohl zu diesem Zeitpunkt spekuliert wurde, ob das gedruckte mare mit seinem außergewöhnlichen Konzept in der deutschen Blätterlandschaft neben den rund 3.000 anderen Publikumszeitschriften überleben könnte.
Bisher gedeiht das Magazin, doch liegt das auch an der gesicherten Finanzierung: Verlag und Magazin sind mit einem Grundkapital von 10 Millionen Mark das Abschreibeobjekt einiger hanseatischer Juristen, die in mare investieren – und die sich künftig auch als Fernsehmacher gefallen würden.
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