piwik no script img

Kulturmanagement aus Mitte – für die Mitte

SEIN NAME SEI BIESENBACH

In letzter Zeit rufen ständig Studenten der FH Potsdam an. Sie haben sind alle im Fach „Kulturmanagement“ eingeschrieben und sollen nun in einer Seminararbeit Berlin als Kulturstandort untersuchen. Dabei ist ihnen Diedrich Diederichsens Artikel „Weder Peybach noch Biesenmann“ vom 15. 2. auf den taz-Kulturseiten im Berlinteil aufgefallen, der einen neuen Typus von Kulturunternehmer nach dem Mauerfall behandelte. „Wo kann ich was über diesen Biesenmann rausfinden?“, lautet die immer gleiche Frage. Als Antwort erhalten sie dann den Hinweis, dass der Titel ein Wortspiel um austauschbare Namen war, weil die Kulturindustrie ja auch kein Gesicht hat, der Mensch aber in Wirklichkeit Biesenbach, Klaus heißt und eine Berliner Institution namens Kunst-Werke leitet. Danach sind sie eher verwirrt und schreiben sich nicht einmal die Telefonnummer auf, unter der sie mehr Auskünfte über Biesenbach bekommen könnten.

Tatsächlich halten viele Leute im Berliner Kulturbetrieb Biesenbach und Kunst-Werke für identisch. Das ist allerdings böse gemeint, weil der Direktor des 1990 gegründeten Kunstvereins in der Auguststraße gerne als Impresario und Haupt-Gentrifizierer von Mitte angesehen wird. Anfang der 90er Jahre hatte er mit ein paar Studienabbrechern die ehemalige Margarinefabrik im Ostteil der Stadt als Off-Ausstellungsort entdeckt. Dafür bekamen die Kunst-Werke Geld vom Kulturamt Mitte, das die Aktivitäten unter dezentraler Kulturarbeit verbuchte – der Gebäudekomplex hatte ja quasi den Stand eines besetzten Hauses. So jedenfalls erzählt es der 32-Jährige, wenn er wieder einmal dafür gescholten wird, dass sein Programm nur noch internationale Kunst-Events reproduziert. Statt sich um die lokale Szene zu kümmern, hat Biesenbach Berlin als Techno-Club-Mode-Kunst-Crossover inklusive Christoph Schlingensief vermarktet und ist mit der Ausstellung „Children of Berlin“ bis nach New York gelangt. Dort arbeitet der vermeintliche Ex-Besetzer für das PS1-Museum in Queens. Und wenn er davon spricht, die Kunst-Werke wieder back to the roots zu führen, meint er Hugo-Boss-Preisträger Matthew Barney oder Paul Pfeiffer, der den neuen, mit 100.000 Dollar dotierten Preis der Whitney-Biennale gewonnen hat.

Das kuratorische Champions-League-Denken passt zur Biografie. 1997 wurde Biesenbach in die Biennale-Jury von Venedig berufen, durfte in Kassel die documenta X mit einem Politsalon begleiten und stampfte 1998 sogar eine Berlin-Biennale für zeitgenössische Kunst aus dem Boden, mit einer Marathon-Party am 3. Oktober. Zufällig war gerade auch „Tag der Deutschen Einheit“. Und zufällig waren einige Sponsoren der Veranstaltung gleichzeitig auch Mitglieder im Förderverein der Berlin Biennale. Seitdem steht Biesenbach in dem zweifelhaften Ruf, sich nicht für Kunst zu interessieren, sondern lieber Kontakte zu Politik und Wirtschaft zu knüpfen.

Biesenbach sieht seine Funktion indessen ganz anders, wie er neulich in einem Vortrag erklärte: Die Generation, in der er aufgewachsen ist, habe sich doch niemals am Trend bereichern wollen, sondern bloss auf die Gemengelage ihrer Zeit reagiert. Erst mussten die kollektiven Ängste der atomaren Bedrohung in den Achtzigerjahren bewältigt werden, später hätte man sich mit Aids wieder aufs Private konzentrieren müssen, dann kam Berlin. Und immer war das Fernsehen dabei. Deshalb ist Kunst für ihn weder Utopie noch Kampfbegriff. Eher schon eine Beschäftigung aus Neugierde, so wie andere Leute in seinem Alter sich für Extremsport interessieren. Überhaupt will er nicht die Welt verbessern, sondern nur Dinge, „die ein anderer nicht so gut macht“.

Umso erstaunlicher war deshalb die News, dass die Kunst-Werke vor ein paar Monaten mit 900.000 Mark Schulden dastanden. Was war geschehen? Die Immobilie, mittlerweile unter Denkmalschutz gestellt, musste umfänglich renoviert werden, plötzlich gab es Mehrkosten – und keine Finanziers in Sicht. Der Senat ließ seinen Exportschlager fallen. Biesenbach nahm einen Kredit für das Haus auf und wurde wegen Missmanagement angegriffen. Kurz darauf kam er mit Magenproblemen ins Krankenhaus.

Seitdem haben die Kunst-Werke eine neue Geschäftsführung, und Biesenbach hat wieder Zeit für Ideen. Aber auf was für Ideen kommt jemand, der jahrelang bei Politprominenz und Investoren für Fördermittel angeklopft hat, um sich deswegen als charakterloser und unsozialer Kulturmanager vom kritischen Berliner Restumfeld bashen zu lassen? Wie soll denn Kunst bei einem aussehen, der sich eher über Fax und Handy als über Debatten zu Migration und Globalisierung definiert?

Biesenbach ist nun auf ein Phänomen gestoßen, mit dem sich sein Spagat prima in eine „Vision“ wenden lässt. Das Wort heißt „Optionismus“ und wird am 30. April auf einem Kongress der Kunst-Werke diskutiert. Optionismus, so wie er auch beim Wertpapierhandel an der Börse betrieben wird, soll den „Universalismus“ (Biesenbach) ersetzen, der nach dem Fall der Blöcke das Denken bestimmt habe. Es gehe nicht mehr um die Qualität künstlerischer oder intellektueller Projekte, sondern um die Effizienz, mit der man die dazugehörige Öffentlichkeit erzeugt. Anders gesagt: Erst einmal Aufmerksamkeit mit Informationen schaffen, die nur im Nachhinein mit der Wirklichkeit abgeglichen werden können – jede Projektion ist schon Produktion und damit verhandelbar. Dann wären Kanzler Schröders Computer-Inder der ultimative Optionismus.

Die Teilnehmer für sein Comeback als Ideengeber aus der Mitte für die Mitte hat Biesenbach sorgfältig ausgewählt: So wurde etwa Florian Illies von den Berliner Seiten der FAZ eingeladen, da er ein Buch über die „Generation Golf“ geschrieben hat. Dort mochte Biesenbach besonders die Stelle, wo jemand in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ Mutter Beimer aus der „Lindenstrasse“ grüßt, weil das für ihn zeigt, wie sich die Oberfläche medialer Bilderwelten als Realität durchgesetzt hat. Ansonsten ist Illies wohl auch dabei, weil er Biesenbach Ende März in der FAZ gut eine halbe Seite Platz für dessen Selbstdarstellung in Sachen Kunst-Werke gegeben hat. Und das ist doch die beste Wirklichkeitsproduktion für eine in ihrem Ruf angeschlagene Institution.

HARALD FRICKE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen