Päpste, Barone und Anwälte

Der Deutsche Brauerbund wollte den 23. April zum „Ehrentag für deutsches Bier“ erklären. Darauf sei, halten zu Ehren Euer Gnaden, bis in alle Ewigkeit geschissen!

„Mehrheit der Deutschen will Ehrentag für deutsches Bier“, behauptete der Deutsche Brauerbund e. V., nachdem er das Marktforschungsinstitut GfK ganze 1 013 Personen hat befragen lassen. Am 23. April sollte das möglichst sein, bitte schön, dem Tag des Reinheitsgebotes. Ausgerechnet das Deutsche Reinheitsgebot, diese unausgegorene Melange von Bannmeile und Bannfluch, woraus der Deutsche Brauerbund e. V. das verbriefte Recht destilliert hat, sich ungestört von jeglicher Originalität in Grund und Boden zu brauen. Am deutschen Brauwesen soll die Welt genesen.

Aber hoppla, der 23. April ist ja auch der Tag des Buches. Immerhin über 100 Titel zum Thema Bier sind derzeit lieferbar, und sie alle bieten die altbekannt brühige Vermengung syntaktischer und kognitiver Verfehlungen von Hobby- und Lobby-Literaten, mit dem Scheckbuch gedungener Plagiatoren oder feister „Bierpäpste“, die gerade mal die Bieretiketten ins Österreichische übersetzen können.

Bewegung in die Braubuden kam mit dem Erscheinen des Titels „Bier! Das Lexikon“ im Jahr 1997. Erstmals stand nicht mehr fünfhundert Mal hintereinander geschrieben: „Sieht gelb aus, hat weißen Schaum und schmeckt nach Bier“. Spielend leicht hatten die Wahrheit-Autoren Jürgen Roth und Michael Rudolf den ubiquitären Objektivitätswahn des „krawattengewickelten Etepetetetestertums“ (Jürgen Roth) ad absurdum geführt. Ebenso drastisch fiel ihre Einschätzung des „infertilen deutschen Brauereienstalinismus“ (Holger Sudau) aus. Mit dem Ergebnis, dass die Brauereien zuhauf vor Gericht pilgerten. Zwei Auflagen des Buches mussten aus dem Handel zurückgerufen und eingestampft werden. Sogar eine Magisterarbeit (FAU Erlangen-Nürnberg, 1998) über diesen Rechtsstreit wurde geschrieben. Rudolf überwies schnell noch 800 Mark auf das Sparbuch des Deutschen Brauerbund e. V., weil er ihn in einem Zeitungsinterview als „Förderverein für das organisierte Erbrechen“ bezeichnet hatte. Irregeleitet von simpler Rache und sicher auch genuinem Unverstand ließ der Deutsche Brauerbund e. V. in seinem Zentralorgan Brauwelt – einem müden Crossover aus Rentnerfanzine, Gebrauchtwagenhändlerbroschüre und Poesiealbum – den Schriftleiter K. H. Heyse ein „Was darf Biersatire?“ betiteltes Editorial (31-32/1997) improvisieren. Als ginge es immer und überall um Satire, wo drei Wörter hintereinander stehen, die der Sudbaron nicht versteht, weil er Kunst allenfalls in Verbindung mit „Dünger und Honig“ (Arno Schmidt) kennt. Dann war erst einmal Ruhe im Karton.

Doch kaum hatte Michael Rudolf sein „Solobierbuch“ (Max Goldt) „1 516 Biere. Der endgültige Atlas für die ganze Bierwelt“ im vergangenen Jahr an den Start gebracht, ging das Geschrei von neuem los. Schwabenbräu Stuttgart ersetzte fehlenden Schaum auf dem Bier mit dem vorm Mund und hetzte abermals die Anwälte los. Streitwert 200.000 Mark plus Schwärzung der fraglichen Passagen plus eine Handvoll tausend Mark Taschengeld für die Herren Anwälte, zu zahlen jeweils zur Hälfte von Autor und Verlag. Kurz darauf emanierte Jürgen Roth mit „Bier! Das neue Lexikon“ seine Sicht der Dinge, und der Deutsche Brauerbund e. V. versicherte spontan (Die Wahrheit berichtete am 4. September 1999): „Da werden wir aber mitmischen!“ Nicht mitmischen will er vorübergehend bei Michael Rudolf. Eine den „Ehrentag“ präfigurierende Diskussionsrunde auf der Leipziger Buchmesse (Themenstellung „Buch und Bier“) sagte der Deutsche Brauerbund e. V. kurzfristig ab. Obwohl sich der Börsenverein so sehr „eine kontroverse Veranstaltung“ (Pressetext) erhofft hatte. Deutsche Sudbarone können sich eben den Kontakt zu Büchern nur in Verbindung mit Grund, Scheck und Spar vorstellen. Und auf den „Ehrentag für deutsches Bier“ sei bis in alle Ewigkeit geschissen. LISSY SCHMIDT