Schluss mit Mitleid

■ Innenbehörde hat 870 Kosovaren aufgefordert, Hamburg zu verlassen

Von einem Tag auf den anderen sind aus bemitleideten Kriegsopfern unliebsame Gäste geworden. Das Ende der hanseatischen Gastfreundschaft hat Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) für viele AlbanerInnen aus dem Kosovo beschlossen. Auch Familie Kama soll bis zum 10. Mai die Stadt verlassen. „Wir wollen in unsere Heimat zurück“, sagt Hidaverde Kama. „Aber noch nicht jetzt“. 870 Menschen, die während der NATO-Bombardements vor einem Jahr aus dem Kosovo geflohen sind, haben die Ausreise-Aufforderung der Innenbehörde bekommen.

Die Chancen der Familie Kama auf weitere Duldung hält Dejan Lazic, Mitarbeiter des die Familie vertretenden Anwaltsbüros, zwar für nicht schlecht: Ein Psychiater hat Eltern und einer Tochter bescheinigt, dass sie „in einem repressionsfreien Raum und nicht am Ort der Gewalteinwirkung“ psychologisch behandelt werden müssten. Doch die hier lebenden Kosovaren, so Lazic, stünden „psychisch erheblich unter Druck“.

Der soll die Flüchtlinge zur „freiwilligen Ausreise“ bewegen. Denn die Rücckehr von Kosovo-AlbanerInnen in ihre Heimat, so Innensenator Wrocklage, „verläuft weiterhin schleppend“. Bundesweit seien von den rund 15.000 während des Kosovo-Krieges nach Deutschland gebrachten sogenannten Kontingent-Flüchtlingen bereits etwa 72 Prozent in ihre Heimat zurückgekehrt. Von den 390 in Hamburg aufgenommenen sind es bisher 18 Prozent. Hinzu kommen mehrere Hundert Flüchtlinge, die keinen Platz im Kontingent und ohnehin nie ein Aufenthaltsrecht hatten.

Wrocklage sagt, die Leute könnten in den Kosovo zurück. Familie Kama erklärt das für absurd. Ihr Haus steht nicht mehr. Die erlebte Gewalt taucht allnächtlich in Alpträumen auf. Auf das Wohnschiff, auf dem sie zunächst lebten, musste ständig der Notarzt kommen, weil Mutter oder ihre Tochter einen Nervenzusammenbruch erlitten. Noch heute nehmen alle Familienangehörigen Beruhigungstabletten.

Die Behörde verunsichert selbst Kosovaren, die nach eigener Ansicht nicht ausreisen können: Auch SerbInnen und Roma haben Schreiben bekommen, obwohl Wrocklage betont, sie würden nicht abgeschoben, „weil sie derzeit nicht gefahrlos zurückkehren können“. ee