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Ein Leben im Pfeifenrauch

■ Wolfgang Schöners Pfeifengeschäft im 50er Jahre-Stil zieht ins Focke-Museum um / Anerkennung für das Lebenswerk des 72-Jährigen nach dem Ausstieg in die Rente

Sehr ruhig, freundlich, ausgeglichen und sympathisch – das ist der typische Pfeifenraucher. „Und er findet seine Kraft durch das Rauchen“, weiß Wolfgang Schöner aus eigener Erfahrung. Denn der 72-jährige schmaucht selbst Pfeife und verkauft sie auch. Besser: Er verkaufte sie. Jetzt ist Schluss für den Schmöker hinterm Ladentisch. „Aus Altersgründen höre ich auf. Ich habe es lange gemacht und gerne. Jetzt beginnt eine neue Zeit für mich“, meint Schöner zuversichtlich.

Auch für sein Geschäft war der gestrige Tag ein Wendepunkt. Nach 46 Jahren am Breitenweg, unterhalb der Hochstraße am Bahnhof, ziehen Ladentisch, Regale und Leuchtschrift um ins Focke-Museum. Denn Wolfgang Schöner ist „von der Schönheit des Ladens überzeugt“. Deshalb hat er im Focke-Museum angefragt, ob man sein Schmuckstück dort nicht ausstellen will: Die Museumsleitung war begeistert. Denn der Laden ist im original 50-er Jahre-Stil erhalten. „Ich habe nichts verändert seit 1954“, erzählt Wolfgang Schöner.

Die schwarze Tapete mit pastell-gelben Figuren ist genauso museumswert wie die hölzernen Regale und der Ladentisch mit Schiebetüren und Glasplatte. Nur den Linoleum-Fußboden hat Schöner vor Jahren gegen Steinplatten ausgewechselt. „Aber die Farbe ist dieselbe“, betont der Pfeifenverkäufer.

Aus den Worten klingt die Begeisterung Schöners für sein Geschäft. Die Liebe zum Pfeiferauchen und -verkaufen wurde ihm wohl in die Wiege gelegt. Schon sein Vater eröffnete 1920 in der Bremer Faulenstraße den ersten „Schöner“-Pfeifenladen. Der junge Wolfgang lernte seit 1945 von der Pike auf als kaufmännischer Angestellter im väterlichen Betrieb die Pfeifen-Philosophie. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog das Schöner'sche Geschäft dreimal um, bis es 1954 schließlich unter der Hochstraße am Bahnhof eröffnete und dann von Sohn Wolfgang übernommen wurde.

Seitdem war dort alles zu bekommen, was die Raucherlunge erfreut: Pfeifen für jede Portemonnaie-Stärke zwischen 20 und 1.000 Mark, Zigarren, Zigaretten, Tabak und jegliches Zubehör wie Feuerzeuge oder Pfeifenstopfer.

Aber nicht nur die eingefleischten Raucher waren bei Schöner gut bedient. Auch wer das Pfeifenschmauchen neu entdeckte, war hier richtig. Wolfgang Schöner nahm sich gerne eine halbe Stunde Zeit, um seinen Kunden zu beraten, damit dieser „lange Freude an der Pfeife“ hat. Anfängern gab er die Tipps, „die Pfeife langsam zu rauchen, nicht mit Streichhölzern zu sparen und die Pfeife ruhig immer wieder ausgehen zu lassen“. Nach dem Rauchen muss die Pfeife einige Zeit abkühlen bevor man sie reinigt.

Die Kunden beraten oder mit ihnen plauschen, das gehörte für Schöner zur schönen Seite des Geschäfts. „Deshalb würde ich diesen Beruf auch nochmal erlernen“, resümiert er. Aber der Pfeifenhändler kann sich auch an weniger erfreuliche Erlebnisse erinnern. „In den Jahren wurde ich mehrmals und zu jeder Tageszeit überfallen.“ Ungern spricht der 72-Jährige über diese Ereignisse. „Hinterher war ich immer ganz erledigt. Einmal stand ein 18-Jähriger mit einer Elektroschockpistole genau hier“, erinnert sich Schöner bis ins Detail. Zum Glück ist ihm nie ernsthaft etwas passiert. Denn sein Motto bei Überfällen lautete stets: „Ich lasse gerne mein Blut. Ich wollte nur keinen finanziellen Schaden erleiden. Denn ich habe mein Geld immer schwer verdient.“

Deshalb wird der passionierte Pfeifenkenner jetzt „öfters ins Focke-Museum gehen“, um sein Lebenswerk zu besuchen. Zwar sei es schon schmerzlich jetzt vor den leeren Regalen zu stehen, aber langweilig werde es ihm in Zukunft nicht: „Ich lese gerne, höre klassische Musik und wandere. Und natürlich werde ich auch weiterhin mit Freude meine Pfeife rauchen“, lacht Schöner zuversichtlich.

Tina Bauer

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