: Kunst im Kreis
Digitalisierte Plotterausdrucke: 15 junge Künstler aus Madrid in der Künstlerwerkstatt Bahnhof Westend
„Circuitos“ heißt eine Ausstellung, die das Land Madrid seit 1988 jährlich dem Nachwuchs widmet. Wer von den bis zu dreißigjährigen Künstlerinnen und Künstlern teilnimmt, bestimmt eine vom Referat für Jugendfragen des Bildungssenats ernannte Fachjury aus Kritikern, Galeristen und Künstlern. Die Ausstellung wird in verschiedenen spanischen Städten gezeigt, gelegentlich auch im Ausland.
So war beispielsweise „Circuitos 1997“ vor zwei Jahren in der Berliner Aktionsgalerie zu sehen. Jetzt gastiert die dreizehnte Ausgabe von „Circuitos“, was man mit „Kreisläufe“ übersetzen könnte, in der Künstlerwerkstatt Bahnhof Westend. Weitere deutsche Stationen sind Stuttgart, München und Köln.
Fotografische Arbeiten stehen eindeutig im Mittelpunkt. Dabei ist ein malerischer Einsatz der Lichtbildnerei nicht zu übersehen. In digitalisierten Plotterausdrucken verwandelt Miguel de Guzman Ga.-Monge menschenleere Stadt- und Innenräume zu magisch leuchtenden, imaginären Bühnen; Julio Cordon übersetzt Nahaufnahmen von Wand, Tür und Fenster in geometrische Kompositionen; und Enrique Corrales verfremdet mittels Lochkamera das Innenleben von Küchengeräten.
Auch die übrigen der insgesamt fünfzehn Künstler arbeiten zum Teil mit Fotografie, wenn auch eher im Rahmen konzeptioneller und Installationskunst. Patric Tato Wittig, dessen Vorfahren mütterlicherseits aus Ostpreußen stammen, leistet im doppelten Sinne Erinnerungsarbeit, indem er das Soldatenfoto seines Großvaters mit den Fotos junger Soldatenfrauen aus dem heutigen Kaliningrad (früher Königsberg) konfrontiert. Der eigene Körper wird bei Monica de Miguel Rubio und Olimpia Velasco zum ästhetischen Medium: dort fotografierte Kugelschreiberzeichnungen auf der eigenen Handfläche, hier gestisch-kommunikatives Alphabet aus der Verdoppelung der Künstlerin im Video.
Auch das Publikum wird mit einbezogen: bei Belen Cueto in einer „Rücksendeaktion“ mit leeren, an sie selbst adressierten Postkarten, bei Carmen Armbruster, indem – neben fotografierter und gefilmter Holzkiste – eine reale durch eine anwesende Kamera Eingriffsmöglichkeiten bietet. Bleibt noch Angel Masip, der als einziger Gemälde ausstellt: Seine Serie „Vorgefertigt“ spielt mit geometrischen oder vegetabilen Mustern, die als höchst artifizielle Gebilde alle an Malerei gestellten Dekorationsansprüche distanziert-ironisch brechen.
Präsentation von Ausstellung und (zweisprachigem) Katalog zeugen von einer hohen Professionalität. Allerdings wird der Avantgardebegriff im Zusammenhang mit Jugendlichkeit allzu sehr forciert. Angesichts kopflastiger kunsthistorischer und anderer Bezugssysteme bleibt es visuell bei Andeutungen, und der Eisberg muss erahnt werden.
Das ist ein allgemeines Problem einer als heutig oder jung ausgegebenen Kunst: Sie dreht sich im Kreise. MICHAEL NUNGESSER
Künstlerwerkstatt Bahnhof Westend, Spandauer Damm 89, Charlottenburg, bis zum 30. April; Dienstag bis Samstag 15 –19 Uhr, Sonntag 11–18 Uhr; Katalog 5 DM
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