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ITALIENS NEUE REGIERUNG MACHT DIE GLEICHEN FEHLER WIE DIE ALTEGnadenfrist vor Berlusconis Rückkehr

Ein Befreiungsschlag sollte die Bildung der Regierung Amato werden, ein Neuaufbruch der Mitte-links-Allianz gerade noch rechtzeitig ein Jahr vor den nächsten Parlamentswahlen. Doch statt der versprochenen Premiere gab es bloß eine müde Wiederholung – eine Regierung D`Alema, in der eigentlich nur D`Alema selber fehlt. „Schlank“ sollte das neue Kabinett endlich werden, nun tritt es eher vollschlank an. Amato gelang es, gerade mal einen Ministerposten wegzustreichen: Italien hat ein Kabinett in alter Stärke (oder Schwäche) gebildet nach den alten Ritualen. Programmfragen spielten in den Verhandlungen keine Rolle; stattdessen wurde das Wahlvolk tagelang mit Postenschacher unterhalten. In den hochtönenden Kommuniqués der Parteien war viel die Rede vom „Profil“ der Regierung – gemeint waren jedoch nur die bequemen Ministersessel.

Bezeichnend für das Trauerspiel ist, dass Amato im letzten Moment am Dienstag eine Koalitionsrunde absagte, nicht etwa weil schon alles klar war, sondern als „Vorsichtsmaßnahme“ (so die Grünen-Vorsitzende Grazia Francescato) – Amato fürchtete, die acht Parteien würden sich noch vor Stapellauf des Kabinetts heillos verkrachen. Dass Parteien um Selbst- und Machterhaltung kämpfen, gehört zum gewöhnlichen politischen Geschäft. Ungewöhnlich ist allerdings die italienische Variante: die Groteske einer Parteienherrschaft ohne Parteien. Im Mitte-links-Lager drängeln sich Generäle ohne Heer, Verwalter von Kleinstparteien mit schwindender Mitglieder- und Wählerschaft. Generäle, die ihre Wahlniederlagen nicht als Strafe dafür sehen, dass sie den Kontakt zur Gesellschaft verloren haben, sondern als Aufforderung, das eigne Trüppchen im Koalitions-Kleinkrieg noch heftiger zu profilieren. „Das Schiff geht unter, und die Leute rangeln um die Besetzung der Liegestühle“ – so der Vorsitzende der Linksdemokraten, Walter Veltroni.

Amato droht so das gleiche Schicksal wie D`Alema: die Leitung einer Regierung, die das Geschäft der Opposition gleich mitbesorgt. Dabei ginge es auch anders; die Mitte-links-Allianz hat es vor gar nicht langen und doch fernen Zeiten vorgemacht. Bei ihrem Wahlsieg 1996 vermittelte sie ein Bild der Einigkeit, präsentierte sich den Wählern nicht als Sammelsurium von miteinander hadernden Parteien, sondern als „Olivenbaum“-Bündnis mit einem ambitionierten Reformprogramm. Eine Besinnung auf den Geist von 1996 ist wohl die einzige Chance für die Koalition, wenn sie die Wahlen im Jahr 2001 erfolgreich bestehen will – und auch die einzige Chance, aus der Regierung Amato mehr werden zu lassen als eine letzte selbst eingeräumte Gnadenfrist vor der Rückkehr Berlusconis an die Macht. MICHAEL BRAUN

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