Demokratische Öde in Bergedorf

Beim Bürgerentscheid zum Bahnhofsvorplatz wählen die meisten per Post  ■ Von Gernot Knödler

Die fünf Damen hinter den Computern langweilen sich. Hamburgs erster Bürgerentscheid beschert den elf Wahllokalen nur einen mäßigen Besuch. Selbst im Container mitten auf dem Corpus Delicti, dem Bergedorfer Bahnhofsvorplatz, über dessen künftige Gestalt abgestimmt wird, füllt die Urne sich nur langsam: Von acht bis zehn Uhr gaben hier bloß 50 Männer und Frauen ihre Stimme ab, in ganz Bergedorf waren es 150.

„Bei uns ist die Stimmung gut“, sagt Susanne Kühn, die Leiterin der Abstimmungsstelle. Ihr Team hat bereits die Europa-Wahl bestritten, im Zimmer stehen zwei Kaffee-Automaten, und die Kolleginnen scherzen mit den Busfahrern vom ZOB auf dem Bahnhofsvorplatz.

„Die meisten sind gut informiert und wollen nur noch abstimmen“, hat Kühn beobachtet. Wer ins Abstimmungslokal kommt, hat in der Regel längst sein Kreuzchen gemacht. Viele kommen mit einem verschlossenen Wahlbrief und gucken konsterniert, wenn die Abstimmungshelferinnen diesen aufreißen, um die Nummer des Wahlscheins im Online-Melderegister abzuhaken. So vermeiden sie, dass jemand mehrfach abstimmt.

Ein Typ in Tarnhosen versucht es tatsächlich: Er habe es das letzte Mal verkehrt gemacht und wolle deshalb nochmal, nuschelt er. Abweisen muss Kühn außerdem einen türkischen und einen kroatischen Bergedorfer: Ihre Heimatländer gehören nicht zur EU, die beiden dürfen folglich nicht abstimmen.

Die 74-jährige Ursula Kötter hingegen darf: „Ich war erst ganz stark für die Bürgerinitiative“, erzählt sie, „weil ich die Planung für den Bahnhof schwachsinnig finde.“ Vor allem der geplante ZOB mit Parkplätzen auf dem Dach ist aus ihrer Sicht keine gute Lösung. Ihre 18- und 19-jährigen Enkel haben sie dann vom Gegenteil überzeugt, weil sie ein Schwimmbad und ein Kino haben wollen. „Man muss ja auch an die Zukunft denken“, rechtfertigt sich die Oma.

„Die Jugendlichen wurden mit dem Kino und dem Schwimmbad geködert“, ärgert sich dagegen Marion Hoffmann. Auch sie will, dass der Bahnhofsvorplatz umgebaut wird, allerdings nicht nach den Plänen von Hochtief. Eine völlig unrepräsentative Stichproben-Umfrage der taz hamburg ergab gestern Vormittag eine „sieben zu drei“-Mehrheit gegen die Hochtief-Pläne.

Die Beteiligung an der Abstimmung lag bereits gestern Nachmittag allein wegen der 32.331 Brief-AbstimmerInnen mit 37 Prozent deutlich über der jüngsten Europa-Wahl mit nur rund 32 Prozent. Bei Bürgerschaftswahlen sind es mehr als 70 Prozent. Kurz vor Schließung der Abstimmungslokale gestern Abend hatten 33.577 BergedorferInnen gewählt. Das waren etwa 40 Prozent.