: Datenschützer rügt Humangenetiker
Doktorandin der Würzburger Universität arbeitete unerlaubterweise mit sensiblen Patientendaten
Humangenetiker der Universität Würzburg haben nach Einschätzung des bayerischen Datenschutzbeauftragten Reinhard Vetter sensible Patientendaten geistig behinderter Heimbewohner des St.-Josefs-Stifts aus dem unterfränkischen Eisingen rechtswidrig verarbeitet und genutzt.
Das geht aus einer „Beanstandung“ hervor, in der Vetter außerdem rügt, dass Blutproben ohne Einwilligung der Betroffenen ausgewertet worden seien. Zwei Doktorarbeiten, die am Humangenetischen Institut erstellt worden waren, stützen sich auch auf Blutproben und Daten von Eisinger Heimbewohnern. Die Uni Würzburg, die zuvor vom Datenschutzbeauftragten gehört worden war, hält die Beanstandung „nicht für gerechtfertigt“.
Die Eisinger Blutentnahmen waren bereits von der Würzburger Staatsanwaltschaft unter die Lupe genommen worden. Nach ihren Ermittlungen hatte die frühere ärztliche Leiterin des Stifts Blutproben und persönliche Daten von Heimbewohnern ohne Einwilligung von Betroffenen und Betreuern an das Humangenetische Institut weitergeleitet, wo das Blut molekulargenetisch analysiert wurde. „Die Untersuchungen“, so der Leitende Oberstaatsanwalt Peter Schauff, „haben zumindest teilweise wissenschaftlichen Zwecken gedient.“ Nicht alle Blutproben seien anonymisiert worden. „Eine Doktorandin hatte unerlaubterweise Zugang zu den persönlichen Daten der Patienten“, teilte Schauff weiter mit. Dies habe die Staatsanwaltschaft als „Verletzung von Privatgeheimnissen“ durch die frühere leitende Ärztin des St.-Josefs-Stifts, welche die geschützten Daten an das Institut weitergegeben hatte, gewertet und einen entsprechenden Strafbefehl gegen sie erwirkt. Weil die Medizinerin dagegen Einspruch eingelegt hat, muss nun das Amtsgericht Würzburg darüber entscheiden. Nach zwei Verhandlungstagen soll jetzt erst einmal ein Gutachen eingeholt werden.
Das Ermittlungsverfahren gegen drei Würzburger Humangenetiker war Ende November 1999 eingestellt worden. Einen Anlass, die Ermittlungen wieder aufzunehmen, gebe die Beanstandung des Datenschutzbeauftragten nicht, teilte Schauff mit; strafbewehrte Handlungen hätten die Humangenetiker nicht begangen. Die unbefugte Verarbeitung geschützter persönlicher Daten ist nach dem Bayerischen Datenschutzgesetz nur dann strafbar, wenn der Täter in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht gehandelt hat. Unabhängig von den rechtlichen Ermittlungen will nun auch das St.-Josefs-Stift einen Beitrag zur Aufklärung leisten, den beunruhigte Angehörige und Betreuer seit über zwei Jahren vergeblich gefordert hatten. Die Geschäftsführer Ulrich Spielmann und Bernhard Götz teilten mit, man habe inzwischen eine Expertengruppe unter Vorsitz des renommierten Psychiatrieprofessors Klaus Dörner damit beauftragt, „die Vorgänge im Zusammenhang mit unerlaubten humangenetischen Untersuchungen an Bewohnern des St.-Josefs-Stifts weiter aufzuklären“.
Die Kommission soll Anfang Juni eine Woche lang in Eisingen tagen. Dabei sollen die Experten laut Spielmann und Götz unter anderem untersuchen, in welchem Forschungszusammenhang „die mit den Bewohnern des St-Josefs-Stifts enstandenen Dissertationen“ standen.
KLAUS-PETER GÖRLITZER
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