piwik no script img

Arafat nicht angesagt

So wenige Palästinenser wie nie zuvor stützen ihren Präsidenten. Gewaltbereitschaft steigt

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Peinlich für die palästinensische Autonomiebehörde ist das Ergebnis einer Umfrage zur Beliebtheit Jassir Arafats und dem Vertrauen in seine Regierung. Mit nur noch knapp 39 Prozent der Stimmen würde der Palästinenserpräsident bei einer Wahl im Amt bestätigt. Dies wäre das weitaus schlechteste Abschneiden seit der ersten und vorläufig letzten Wahl für diesen Posten Anfang 1996, als Arafat noch fast 90 Prozent seines Volkes hinter sich wusste. Die Umfrage des „Forschungs- und Studienzentrums“ in Nablus indiziert auch einen Negativtrend mit Blick auf das Vertrauen in die Aufrichtigkeit von Regierungsangehörigen sowie die Möglichkeit, die Behörden angstfrei kritisieren zu können. Befragt wurden insgesamt 1.307 erwachsene Palästinenser.

Nicht nur Arafat verliert unter den Palästinensern dramatisch an Vertrauen, sondern auch der israelische Premierminister Ehud Barak. Nur noch knapp 17 Prozent glauben an den Friedenswillen des israelischen Regierungschefs. Die fortgesetzte Siedlungspolitik und der seit Monaten stockende Friedensprozess sind Gründe für diese Tendenz. Bis zum vergangenen Monat hatte Barak alles auf die syrische Karte gesetzt, doch nach dem offiziell gescheiterten Gipfeltreffen zwischen Bill Clinton und Hafis al-Assad will sich die Regierung in Jerusalem wieder verstärkt auf die palästinensische Frage konzentrieren. Nicht zuletzt die sinkende Sympathie für Arafat sollte zu einem schnellen Fortschritt im Dialog anspornen. Die Verhandlungen mit einem Partner, der im eigenen Lager zunehmend auf schwachen Beinen steht, würden schwieriger werden. Unter Palästinensern steigt bereits die Rate derer, die Terrorattentate gegen Israelis befürworten. Waren es im Februar 39 Prozent, die Gewalt befürworteten, so heißen nun 44 Prozent den Terror gut.

Zum Missmut über ausbleibende Verhandlungserfolge im Friedensprozess gesellt sich die Sorge vor zunehmender Unfreiheit innerhalb der autonomen Gebiete. 65 Prozent der Befragten glauben, dass sie nicht ohne Gefahr Kritik an Behörden äußern können. Im Vergleich zu 61 Prozent im Februar glauben inzwischen über 70 Prozent, dass die palästinensischen Behörden korrupt sind. Nach Informationen der „Palästinensischen Menschenrechts-Überwachungsgruppe“, sind Zensurmaßnahmen in den Palästinensergebieten noch strenger geworden und die „Tolerenz für freie Meinungsäußerung“ ist so gering wie nie.

Kaum verwunderlich, dass angesichts des schwindenden Vertrauens in die derzeitige Führung Politiker aus anderen Parteien als der Fatach Arafats Aufwind bekommen. So würde der Mentor der islamisch-fundamentalisitschen Hamas, Scheich Achmad Jassin, bei Wahlen derzeit mit 14 Prozent auf den zweiten Platz nach Arafat kommen. Favoriten für die Nachfolge Arafats sind dennoch drei Mitglieder der Fatach. Abu Masen, „Architekt“ der Osloer Abkommen, gilt nach wie vor als Favorit des Präsidenten. Er würde derzeit vor einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Parlamentssprecher Abu Ala stehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen