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Souvenir de la Malmaison

Frankreichs Kaiserin Josephine, die Frau Napoleons, hegte, pflegte und züchtete Rosen. Die Kulturgeschichte der Rose ist auch eine Geschichte der Entdeckungen. Und Alte Rosen erleben eine Renaissance ohnegleichen

von LAURA GÖBELSMANN

Won’t you come into the garden? I would like my roses to see you.

Das hätte auch Kaiserin Josephine zu ihren Gästen sagen können. Legendär der Reichtum und die Schönheit ihrer Rosen im Garten von Malmaison. Die Namen der Stars: Rosa gallica, Rosa damaszena, Rosa centifolia, Rosa alba und Rosa chinensis. Alles Urahninnen der modernen Rose.

Jahrhundertelang hat die Schönheit alter Strauchrosen die Fantasie beflügelt. Dann geriet ihr Charme in Vergessenheit. Nun erleben Alte Rosen seit einigen Jahren eine Renaissance ohnegleichen. Mit ihren oft üppig gefüllten Blüten erinnern sie an die gerüschten Kleider des Rokoko. Daneben wirken die modernen Zuchtrosen mit ihren spitzen Knospen wie irgendeine Dame der Gesellschaft, wohlerzogen, gepflegt, anpassungsfähig und ordentlich. So das Verdikt der Vita Sackville-West, Schriftstellerin und wohl bekannteste Gärtnerin unseres Jahrhunderts. In Vergessenheit geraten war auch, dass Josephine in der Kulturgeschichte dieser Rosen eine herausragende Rolle spielte. Während ihr Mann Krieg führt und sich anschickt, der Beherrscher Europas zu werden, verwirklicht seine „unvergleichliche Josephine“ andere Ziele. „Malmaison soll ein Modell der Gartenpflege werden und jedes Departement eine Sammlung wertvoller Pflanzen erhalten“, schreibt sie. Und ganz im Zeitgeist der Universalität veranlasst sie die Erforschung aller Rosenvarietäten. Bald blühen 250 Rosensorten in ihren Gärten. Eine größere Pracht an Strauchrosen gab es um 1810 nirgends auf der Welt. Das Château de Malmaison war 1799 ein heruntergekommener Besitz, dessen wenig Vertrauen erweckender Name wahrscheinlich auf einen Schlupfwinkel normannischer Wegelagerer zurückgeht. Doch Marie-Joseph-Rose, im tropischen Grün Martiniques aufgewachsen, träumte von einem Landsitz in der Nähe von Paris. Vielleicht hatte sie alles schon vor Augen: Eine blühende, lebendige Enzyklopädie seltener Pflanzen und Tiere. Den Park mit exotischen Bäumen und Sträuchern, Wälder, zauberhafte Wasserstellen und Kanäle, auf denen schwarze Schwäne aus der Meerenge von Bass ihre Bahnen ziehen. Gazellen, Goldfasane aus China. Und vor allem Rosen.

Allein der Anblick der 150 Gallica-Rosen mit ihrem Farbenrausch von Rosa bis Purpur hätte den Betrachter adeln können. Von ihr stammen alle roten Rosen ab. Gallicas sind die ältesten unter den kultivierten Gartenrosen, und man kann sie sich gut auf einem Fresko im minoischen Palast von Knossos vorstellen. Dort entdeckte man das älteste bildliche Zeugnis einer Rose aus dem Jahre 2000 vor unserer Zeitrechnung. Doch außer der Herbstdamaszener entfalten Alte Rosen ihren Blütenzauber nur einmal im Jahr. Mit der Entdeckung der China-Rose und der mit ihr verwandten Teerose im 18. Jahrhundert begann daher eine neue Ära. Diese Rosen tauchten in Europa zu einer Zeit auf, als man gerade erst in der Lage war, gezielt künstliche Kreuzungen durchzuführen. Auch das Wissen um die Geschlechtlichkeit der Pflanzen war noch nicht sehr alt. Bis dahin waren neue Rosensorten nur durch Launen der Natur entstanden. Es war Josephine, die der weiteren Entwicklung entscheidende Impulse gab. Mit ihrer Sammlung, die großes öffentliches Interesse fand, war sie zur Trendsetterin geworden. Rosen kamen bei den Wohlhabenden in Mode, und die französischen Züchter wurden mit Aufträgen überhäuft. Etwa 1.000 neue Sorten entstanden in Frankreich, der Handel in Europa boomte. Heute gibt es mehr als 25.000 Sorten an Kulturrosen. Kaum zu glauben, dass alles mit etwa sechs Wildrosen begann.

Die Kulturgeschichte der Rose ist eine Geschichte der Entdeckungen, spannend und rätselhaft, eine Spurensuche, die oft detektivischen Spürsinn erforderte. Politik und Kommerz spielten ebenso eine Rolle wie Leidenschaften, Eitelkeiten und Neu-Gier. An ihrer Verbreitung waren Geschichtsschreiber und Gelehrte beteiligt, Kreuzritter, Mönche, Maler und Händler, die East India Company ebenso wie die Hocharistokratie. Auch die chinesische Rose kam auf verschlungenen Wegen nach Europa und in die Gärten von Malmaison. Als Mitte des 18. Jahrhunderts Reisen in den Fernen Osten zunahmen, brachten Handelsgesellschaften und Expeditionen einige Rosenstöcke nach Europa. Nach und nach und oftmals zufällig erkannte man, welche herausragende, bis dahin unbekannte Eigenschaft, diese Rosen besaßen: Sie blühten nicht nur einmal im Jahr! Die Beschreibungen dieser Entdeckungen haben ihre eigene Poesie. Peter Osbeck entdeckte 1751 eine rosafarbene Rose im Garten des Zollamtes von Canton, heißt es. Oder: Am 25. Oktober 1800 fand Mary Robinson in der Nähe eines kleinen Landhauses bei Egham Hill eine blühende Rose. Um diese Jahreszeit etwas so Ungewöhnliches, dass sie den Anblick in einem Gedicht festhielt: „Warum noch zögern, holde Blume? Weshalb verweilen und mit Blättern prunken? Dies ist die Zeit des Nährens nicht – die kalten Winde blasen um die Mauer, und unter manch erbarmungslosem Schauer wirst du nun leiden, schöne Rose.“ Man mag lächeln, doch die Entdeckung der Chinarose war eine Sternstunde in der Entwicklungsgeschichte der Rose. Ihr verdanken wir Rosen, die den Sommer verlängern. Und viele neue. Die Noisette- und die Bourbonrose entstanden, die Portland- und die bei unseren Großmüttern so beliebte Remontant-Rose mit ihren samtigen Rottönen. Zu den Rosen der ersten Stunde gehört auch Hume’s Blush, die 1810 nach England gelangte. Sie stammte aus einer Gärtnerei in Canton, die Faa Tee hieß, eine der vielen Erklärungen für den Namen Teerose. Vielleicht war es auch ein Spitzname, den die Matrosen der East India Company erfanden, weil die Rosen mit Teekisten zusammen verfrachtet wurden. Auch sollen chinesische Teepflanzer die Blüten zum Aromatisieren ihres Tees verwendet haben. Es ist jedoch wohl kein Zufall, dass es Engländer waren, die der feine Geruch von delikater Süße mit leichtem Raucharoma an ihr Lieblingsgetränk erinnerte.

Diese Neuentdeckungen durften in Josephines Sammlung nicht fehlen. So wurden Schiffe besonders ausgerüstet, um den sicheren Transport zu ermöglichen. Pierre-Joseph Redouté, Hofmaler der Kaiserin, malte eine der ersten Teerosen in Malmaison. Seidig, fein und zerbrechlich wie chinesisches Porzellan.

Und Malmaison heute? Ein Museum mit viel Napoleon und wenig Josephine. Im Schloss Bois Préau, das 1810 in Josephines Besitz kam, Erinnerungen an Napoleons Verbannung und Tod auf St. Helena. Hier dokumentieren das Totenhemd und die Totenmaske Vergänglichkeit viel deutlicher als der prachtvolle Sarkophag im Invalidendom. Josephines Grabmal, ein Werk von Berthault und Cartellier, befindet sich in St. Pierre-St. Paul in Rueil, einer hübschen, alten Kleinstadt am Ufer der Seine. Die Grabstätte wirkt eine Spur zu groß für das Kirchenschiff, anrührendes Sinnbild für ein Leben, von dem Josephine ihrer Tochter Hortense verriet: „Ich bin für so viel Ehre nicht geboren.“

Vergänglichkeit ist auch das Leitmotiv, das sich im Park von Malmaison fortsetzt. Eine hübsche Parklandschaft, in der sich Pflastermüdigkeit leicht vertreiben lässt. Doch wenig von der einstigen Pracht. So müssen Wissen und Vorstellungskraft ergänzen, was das Auge nicht mehr vorfindet. Die Rosen sind jetzt in Dreiecken angepflanzt, die das Kreuz der Ehrenlegion darstellen. Die Geometrisierung bekommt den üppigen Sträuchern nicht. Die Fantasie hat lieber die viel zitierten Rosenterassen vor Augen, von denen jeweils eine Rosensorte einem Buchstaben des Namen Josephine entsprochen haben soll. Poetisch, aber leider nicht belegbar, denn vermutlich waren die Rosen überall im Park verteilt.

1980 hat man mit den Wiederanpflanzungen begonnen. Keine leichte Aufgabe. Denn öffentliche Gelder fließen zuerst an weltberühmte Parkanlagen wie Versailles, die Tuileries und Fontainebleau. Auch wenn von 724 Hektar nur noch sechs geblieben sind, es reichte weder finanziell noch personell. So wird augenscheinlich Josephines Verdienst für die Botanik nicht mehr genügend gewürdigt. Doch ein neues Projekt soll diesen Eindruck korrigieren. Etwa 200 Raritäten aus der Sammlung der Kaiserin und andere vom beginnenden 19. Jahrhundert werden bald in einem kleinen Teil des Parks zu sehen sein. Bemerkenswert: Während Josephine große Gewächshäuser, Treibhäuser und eine Orangerie besaß mit genügend Möglichkeiten, exotische Pflanzen aufzuziehen, verfügt man im 20. Jahrhundert nur über zwei kleine Gewächshäuser für die Aufzucht heimischer Pflanzen. So wird es auch hier nur eine Ahnung geben können, von dem was war.

Auch im alten Rosarium hat die Ästhetik das Nachsehen. Viele Schilder sind verwaschen, die Namen der Rosen unleserlich. Epitaphien auf vergangenen Glanz. So bleiben nur die Illustrationen Redoutés in „Les Roses“, ein Werk, das die Kaiserin in Auftrag gab, dessen Veröffentlichung sie jedoch nicht mehr erlebte. Über 100 Rosen, Blüten und Blattwerk wie Nahaufnahmen, expressiv und in den feinsten Farbschattierungen. Dauerhafte Schönheit.

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