Tanz in den Kessel

PolizistInnen setzen 120 Konzertbesucher stundenlang fest, weil sie Barrikaden-Bauer in der Flora vermuten  ■ Von Elke Spanner

In den Mai getanzt wurde in dieser Nacht nicht. Statt des angekündigten Konzertes gab es Sonntag in der „Roten Flora“ Pogo mit der Polizei. Die wollte in dem alternativen Stadtteilzentrum gegen drei Uhr morgens Personen aufspüren, die am Abend im Anschluss an eine Demonstration Barrikaden auf dem Schulterblatt errichtet und in Brand gesetzt hatten. 120 KonzertbesucherInnen saßen dafür bis morgens um acht Uhr in der Flora fest – ehe sie zur Wache gebracht wurden und ihre Personalien abgeben mussten.

Los ging der Abend am entfernter gelegenen Dammtorbahnhof. Dort hatten sich anlässlich des internationalen „Global street day“ gegen 20 Uhr rund 500 Demonst-rantInnen versammelt, um „die Straße zurückzuerobern, reclaim the street“. Das taten sie mit einem musikuntermalten Marsch, bis sie gegen 22 Uhr auf das Schulterblatt im Schanzenviertel einbogen. Dort warfen einzelne DemonstrantInnen Steine gegen die Scheiben mehrerer Banken und des Penny-Marktes. Anschließend errichteten sie Barrikaden. Zu dem Zeitpunkt, als diese in Brand gesetzt wurden, waren in der Flora bereits über einhundert Gäste, die auf das Konzert einer baskischen Band warteten.

Dazu sollte es nicht mehr kommen. Als PolizistInnen mit Räumfahrzeugen anrückten, flogen ihnen Steine entgegen, die sie mit entschlossenem Knüppeleinsatz beantworteten. NotärztInnen mussten anschließend mehrere Demonst-rantInnen versorgen und ins Krankenhaus bringen. BeobachterInnen sprechen von über 30 Verletzten. Laut Innenbehörde wurden auch 16 PolizistInnen verwundet.

Mindestens zwei Stunden lang war die Flora anschließend noch geöffnet. Einige enttäuschte KonzertbesucherInnen gingen raus, PassantInnen von außen kamen rein. Gegen drei Uhr morgens dann riegelte die Polizei das Gelände rund um die Flora ab und verkündete ihre Forderung, die Personalien von allen aufnehmen zu wollen, die sich noch im Gebäude befanden. Denn dorthin, so die Begründung, seien „Straftäter“ geflohen.

„Die Taten, um die es ging, wurden Stunden vorher begangen“, so Flora-Anwältin Ursula Ehrhardt gestern. „Die Chance, diese Leute in der Flora zu kriegen, war minimal“. Mit diesem Einwand fand sie in der Nacht bei der Polizeiführung indes kein Gehör. AnwältInnen wurden nicht in das Gebäude he-reingelassen. Als Ehrhardt auf der zuständigen Wache darauf pochte, wurde sie mit der Erklärung abgewiesen, sie könne ihren anwaltlichen Rat erteilen, wenn die Polizei die Identität der Flora-BesucherInnen aufgenommen habe.

Als Verhandlungsführer schalteten sich gegen vier Uhr schließlich die Bürgerschaftsabgeordneten Manfred Mahr (GAL) und Norbert Hackbusch (Regenbogen) ein. Ihnen habe die Polizei deutlich gemacht, so Mahr, dass sie auf den Personalien aller Flora-BesucherInnen bestehen würde. „Es war eindeutig, dass sie das Gebäude aufbrechen und reingehen, wenn die BesucherInnen nicht selbst rauskommen“, so der GAL-Abgeordnete. Verhandlungsspielraum habe es keinen gegeben. Auch der Regenbogen-Abgeordnete Hackbusch kritisierte das Festhalten von 120 Menschen in einem Gebäude, weil sich unter ihnen einzelne Personen versteckt halten sollten. Das sei eine „Demonstration von Stärke, die übertrieben war“. Flora-SprecherInnen sagten gestern, viele der BesucherInnen hätten es als Freiheitsberaubung empfunden. Gestern demonstrierten rund 300 Menschen gegen den Einsatz.

Mahr betont, dass die Vorwürfe gegen einzelne DemonstrantInnen nicht der Flora an sich angelastet werden könnten. Denn„nichts wurde aus der Flora heraus begangen“. Insofern sieht er es als Erfolg, dass weitere Eskalation verhindert und es vermieden werden konnte, dass die Polizei gewaltsam in das Gebäude eindrang. Obwohl dann doch noch BeamtInnen in der Flora waren. Als die BesucherInnen bereits auf derWache waren, durchsuchten PolizistInnen das Gebäude und brachen mehrere Türen auf.